Dienstag, 16. August 2011

Die NATO lässt zu, dass Libyer im Mittelmeer ertrinken


Laut UN Flüchtlingsagentur UNHCR sind 1500 libysche Flüchtlinge beim Versuch, das Mittelmeer nach Europa zu überqueren, seit Beginn des Krieges gegen Libyen im März gestorben. Am 4. August berichtete die Süddeutsche Zeitung von 1820 Toten in diesem Jahr.
Die Opfer sind Leute aus Libyen und anderen afrikanischen Ländern, die versuchten, der ökonomischen Not, politischen Verfolgung oder dem Krieg zu entgehen und dabei ihr Leben aufs Spiel setzten. In kleine, seeuntüchtige Boote von skrupellosen Menschenhändlern gepfercht, ertrinken sie oder sterben vor Durst auf hoher See.
Die Entfernung zwischen der italienischen Insel Lampedusa, das Ziel der meisten Flüchtlings-Boote und Tunesien, dem nächsten Punkt an der afrikanischen Küste, beträgt nur 130 km. Die Entfernung zur libyschen Küste ist doppelt so weit.
Das relativ kleine Seegebiet ist gegenwärtig mit einer der größten Flotten der Welt gefüllt. Etwa 20 Kriegsschiffe aus 10 NATO-Ländern, einschließlich mehrerer Flugzeug- und Hubschrauberträgern, unterstützen den Angriff auf Libyen. Sie sind mit Radar und sonstiger Spitzentechnologie ausgerüstet und können leicht jede Bewegung auf See entdecken. Das Gebiet wird auch ständig von NATO AWACS Flugzeugen überwacht, um Flüchtlingsboote zu entdecken und zurückzuschicken.
Schutzlose Flüchtlinge könnten deshalb ohne Mühe entdeckt und gerettet werden. Die vielen Toten sind durchaus vermeidbar. Sie sind Opfer der Unterlassung, Hilfe für Menschen in Not zu gewähren – eine strafbare Handlung. Die NATO zwang sie zu fliehen durch ihren Krieg gegen Libyen und als klar wurde, dass ihre Fluchtroute eine tödliche Falle ist, überließ die NATO sie ihrem Schicksal.
Die NATO hat nicht nur diese Flüchtlinge „übersehen“. Sie hat sich auch geweigert, schiffbrüchigen Flüchtlingen Hilfe zu gewähren, wenn sie benachrichtigt wurde.
Erst in der vergangenen Woche kam so ein Fall an das Licht, in dem die Schuld der NATO so offensichtlich war, dass sogar die italienische Regierung, die selbst auch Flüchtlinge verfolgt, sich verpflichtet fühlte, zu protestieren und eine Untersuchung zu verlangen.
Die italienische Küstenwache barg ein 20 m langes schiffbrüchiges Holzboot mit beinahe 300 Flüchtlingen an Bord in den Gewässern südlich von Lampedusa. Das Schiff war eine Woche lang mit ausgefallenem Motor im Meer getrieben. Laut Überlebenden waren 100 Leute an Durst und Erschöpfung gestorben und über Bord geworfen worden. Die Flüchtlinge waren schwer dehydriert, viele in kritischer Verfassung und wurden ins Krankenhaus auf dem italienischen Festland geflogen.
Wie herauskam, war das beschädigte Boot von einem zypriotischen Schlepper entdeckt worden, der ein SOS Signal sandte und seinen Kurs fortsetzte. Die italienische Küstenwache benachrichtigte dann die NATO. Die NATO weigerte sich jedoch, den Flüchtlingen zu helfen, obwohl eines ihrer Schiffe nur 27 nautische Meilen (50 km) entfernt war.
Der italienische Außenminister Franco Frattini hat die NATO beschuldigt, die Hilfe versagt zu haben, und verlangte eine Untersuchung des Vorfalls. Gleichzeitig schlug er fuhr, das NATO Mandat in der Weise auszuweiten, dass ihr die Verantwortung zur Rettung von Bürgerkriegs-Flüchtlingen übertragen wird. Aber das ist alles nur Augenwischerei. Nach dem aktuellen internationalen Recht ist jedes zivile und militärische Schiff in der Nähe unter allen Umständen verpflichtet, Schiffsbrüchigen zu helfen.
Dies ist nicht das erste Mal, dass die NATO der Nachlässigkeit angeklagt wird. Ende März haben NATO Schiffe angeblich Hilferufe von einem schiffbrüchigen Flüchtlingsboot aus Libyen ignoriert. Ein Militärhubschrauber entdeckte das Boot und warf aber nur Wasserflaschen und Kekse ab. Die Flüchtlinge warteten vergeblich auf Hilfe. Laut dem britischen Guardian hat auch ein Flugzeugträger in der Nähe nicht geantwortet. Am Ende starben 61 Menschen an Durst.
Die NATO-Operation gegen Libyen trägt den Namen „Vereinte Beschützer“ und wird offiziell gerechtfertigt als Mission zum „Schutz von Zivilisten“ vor Angriffen der libyschen Regierung. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, gibt das Schicksal der Mittelmeer-Flüchtlinge dieser zynischen Entschuldigung für einen imperialistischen Krieg den Todesstoß. Das Leben der Flüchtlinge und Zivilisten ist die geringste der Prioritäten der NATO.
Die europäischen Regierungen haben auch kein Interesse daran, den Flüchtlingen zu helfen. Es wäre ein Leichtes, Schiffe auszurüsten, um Flüchtlinge im Mittelmeer aufzufinden und zu retten und eine solche Operation würde nur den Bruchteil der täglichen Kosten des Libyenkrieges kosten. Das ist jedoch politisch von den europäischen Regierung unerwünscht, weil sie fürchten, die Flüchtlinge zu vermehren. Die ganze europåische Flüchtlingspolitik hat die Abschreckung zum Ziel.

von Peter Schwarz
am 13. August 2011
Der Originalartikel liegt hier.


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