Zum Thema Landraub habe ich in 'Die Presse' (19. August 2011) von Jürgen Streihammer diesen Artikel gefunden:
„Afrika ist ihr Experimentierfeld. Sie tun hier alles, was sie wollen. Wir fühlen uns unterdrückt, benutzt.“ Als Mariann Bassey von der nigerianischen Dependance der Organisation „Friends of the Earth“ davon spricht, liegen tausende Kilometer zwischen ihr und dem Elend und der Hungerkrise am Horn von Afrika. Gefühlt sind es sogar Welten. Mariann Bassey sitzt in einer zum Presseraum umfunktionierten Volksschulklasse in Krems an der Donau. Auf dem Messegelände der Wachau-Gemeinde wurde dieser Tage das erste Forum für Europäische Ernährungssouveränität abgehalten. Mit Teilnehmern aus aller Welt, von Mali bis Aserbaidschan. Dabei werden die großen Weltprobleme gewälzt, aber auch die spezifischen Befindlichkeiten Afrikas: nicht nur Dürre und Bürgerkriege, sondern auch die Tatsache, dass Basseys Kontinent nach und nach unter den Hammer kommt.
Investmentfonds dick im Geschäft
60 Millionen Hektar wurden nach Weltbank-Angaben bereits verpachtet oder verkauft – Tendenz rasant steigend. „Land grabbing“ nennt sich die Praxis, in der Investoren um die fruchtbarsten Böden des Schwarzen Kontinents wetteifern. Darunter Interessenten aus Ländern wie China oder auch Saudiarabien, das zwar viel Geld, aber wenig ertragreichen Boden besitzt und deshalb um seine Ernährungssicherheit bangt. Zudem wittern Investmentfonds ein profitables Geschäft mit den steigenden Lebensmittelpreisen und haben sich Land gesichert. Auch Biospritproduzenten sind dick im Geschäft, in Mosambik etwa auf 460.000 Hektar Land.
„Das ist die nächste große Blase“
Der Landraub sei „mitschuld an der Krise am Horn von Afrika“, sagt Bassey in Krems. Weil die Praxis die Länder in eine Abhängigkeit von Importen treibe und die lokalen Märkte der Kleinbauern zerstöre. „Neokolonalismus“ sei das, sagt auch Christina Schiavoni von der NGO „WhyHunger?“.
Seit 2010 sind die Nahrungsmittelpreise weltweit um 33 Prozent in die Höhe geschossen. Die US-Amerikanerin macht dafür Spekulationen, vermehrten Anbau von Biosprit und die Deregulierung der Getreidevorräte verantwortlich. Sie sieht im Geschäft mit dem Essen die nächste „Blase“.
Wenn es um „Land grabbing“ geht, ist Äthiopien das neueste Aufmarschgebiet. Der indische Konzern „Karuturi Global“ züchtet hier sogar Blumen und wird in den nächsten Jahren auf bis zu 300.000 Hektar seine Produkte von Baumwolle bis Reis anbauen. „Wir könnten hier eine ganze Nation durchfüttern“, schwärmte Projektmanager Karmjeet Sekhon im britischen „Guardian“ über das billige und fruchtbare Land Äthiopiens, wo derzeit 4,5 Millionen Menschen wegen der Hungersnot Hilfe brauchen.
Tausende Bewohner werden in der Region umgesiedelt – offiziell „aus freien Stücken“. Die Aktivistin Bassey hat diese umgesiedelten Menschen besucht. Sie erzählt von einem Ghanaer, der nach dem Landerwerb eines norwegischen Konzerns in die lokale Gemeinschaft der Familie seiner Frau umziehen musste.
Um Europas Kleinbauern geht es in Krems ein paar Klassenzimmer weiter. In einer der Kleingruppen wird darüber nachgedacht, wie die Aufmerksamkeit der Politik auf das Thema Ernährungssicherheit zu lenken ist. Ein Teilnehmer wirbt für ein Festival in Graz, Diskussionen untertags und „Hot Music““ am Abend. „Ein Bauer geht dir auf kein Festival“, wirft ein älterer Herr ein. Und überhaupt kämen nur jene, die ohnehin einer Meinung sind, nämlich dass Freihandel für die Landwirtschaft schlecht sei. Ein Teilnehmer hat einen Führer aufgelegt: Darin eingezeichnet sind Lobbying-Firmen für Pestizide und Genmais in Brüssel.
Das Thema Saatgut aus dem Genlabor wird demnächst auch Afrika erreichen. Getrieben von der Hungersnot wollen Staaten wie Kenia ihren Widerstand gegen die genetisch manipulierten Sorten aufgeben. Bassey sieht dahinter wieder einmal die Manipulation des Westens: „Einmal sagen sie uns, ihr habt so viel Land, ihr solltet auch Biosprit produzieren. Dann ist wieder alles anders und sie sagen uns, ihr habt so viele Menschen und so wenig Land, ihr müsst Genmais anbauen.“
Mehr zu Landraub hier und hier.
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