Donnerstag, 12. Dezember 2013

Bush, Clinton und Oppenheimer legten Mandela aufs Kreuz

In Südafrika ist die Sache glasklar. Das Land wurde von Engländern und Holländern besetzt und die Bevölkerung in einem langen Krieg niedergerungen und versklavt, obwohl sie sich heldenmütig gegen die Weißen mit ihren Feuerwaffen und Kanonen wehrte. Allein die Menge Goldes, die aus dem Land geschafft wurde, ist gewaltig. Und alles im Land - die Städte und Straßen, die Bergwerke und Industrien - ist  von schwarzen Händen gebaut worden, die Felder wurden für die Weißen bearbeitet, die Rinderherden gehütet und weiße Kinder wurden an den Brüsten schwarzer Ammen genährt. Von den Weißen wurde keine Hacke geschwungen und auch kein Hammer. Jeder Stein wurde von Schwarzen hingelegt, wo er zu liegen hatte. Welch eine ungeheure Unverschämtheit, von den Schwarzen zu verlangen, keinen von den Verbrechern verurteilen zu dürfen und alles, aber auch alles behalten zu dürfen, das Gold, die Diamanten, die Bergwerke und weiterhin alle Güter ins Ausland schaffen zu können und obendrein sich ihre eigenen Schulden bezahlen zu lassen. So etwas bringt nur der weiße Mann fertig, der keinerlei Scham kennt.
Präsident des African National Congress (ANC) Nelson Mandela reckt die Faust vor Anhängern bei seiner Ankunft zu einer Wahlversammlung vor den allgemeinen Wahlen 1994 in Mmabotho.
(photo: Walter Dhladhla/AFP/Getty Images)

Steve Weissman
11. Dezember 2013

„Die Nationalisierung der Bergwerke, Banken und Monopol-Industrien ist die Politik des ANC, und eine Abkehr oder Änderung dieser Ansichten ist undenkbar,“ schrieb Nelson Mandela im Januar 1990, zwei Wochen, bevor er aus seiner langen Gefangenschaft auf Robben Island entlassen wurde. Er versicherte seinen Genossen im ANC, dass er dem sozialistischen Programm, das Mitte der 1950er Jahre in der Freedom Charter nierdergelegt wurde, treu geblieben sei. Der ANC würde, versprach er, dem Volk von Südafrika die Reichtümer zurückgeben, die reiche Weiße ihnen unter der britischen Kolonialherrschafft und den Jahren der holländisch-geführten Apartheid gestohlen hatten.
Vier Jahre später wurde er Präsident von ganz Südafrika, demokratisch gewählt in der ersten Wahl des Landes, bei der die überwältigende nicht-weiße Bevölkerung wählen durfte. Aber zu jener Zeit hatten Mandela und seine engsten Mitarbeiter insgeheim genau den Veränderungen der Ansichten zugestimmt, was er zuvor als „undenkbar“ bezeichnet hatte.

Der ANC gab die Nationalisierung und eine radikale Umverteilung des Reichtums auf. Er versprach, die 25 Mrd. $ Schulden zurückzuzahlen, die von der Apartheid-Regierung angehäuft worden waren. Sie hoben Devisen-Kontrollen auf und erlaubten den größten Unternehmen und den reichsten Weißen, ihr Geld ins Ausland zu schicken. Und anstatt eines von oben nach unten Staats-Sozialismus, wie er in der untergegangenen Sowjetunion praktiziert wurde oder vielleicht lieber noch eine skandinavische gemischte Ökonomie, schlossen sie sich mit Haut und Haar
dem privat kontrollierten „freien Markt“ an, den trickle-down [Regen aufs Huhn und Tropfen aufs Küken]-Ökonomien, wie sie von Milton Friedman und der Chicago-Schule, dem österreichischen Ökonom Friedrisch Hayek, der britischen Premierministerin Margaret Thatcher, dem US-Präsidenten Bill Clinton und dem „Washington consensus“ gepredigt wurden.

Das Ergebnis dieser neoliberalen Wirtschafts-Tagesordnung ist sowohl tragisch als auch vorhersehbar gewesen. Zusammen mit seiner zu Recht gepriesenen eine Person, eine Stimme politischen Demokratie leidet Südafrika jetzt unter einer größeren Kluft zwischen arm und reich, weiß und schwarz als unter der Apartheid. „Mandela verdient großes Lob für die Beendigung der Rassen-Apartheid,“ sagt der in Belfast geborene, US-erzogene politische Ökonom Patrick Bond, ein Veteran der ersten ANC-Regierung. „Aber das Erbe schließt die Fortsetzung der Massenarmut ein.“

Sampie Terreblanche
Die volle Geschichte von Mandelas Kehrtwende muss erst noch geschrieben werden. Aber ein Teil der Geschichte wird vom bekanntesten Ökonom mit den besten Beziehungen Sampie Terreblanche in seinem weithin zitierten „Lost in Transformation: South Africa's Search for a New Future since 1986“ von 2012 erzählt.

Wie er es nennt, gab es einen stillen kapitalistischen Staatsstreich, dessen Chef-Organisator der führende Industrielle Südafrikas und einer der reichsten Männer der Welt Sir Harry Oppenheimer war, der pensionierte Vorsitzende der Anglo-American Corporation  und der De Beers Consolidated Mines. [Mit die größten Goldminen der Welt und Oppenheimers Reichtum beruht natürlich auf dem Diebstahl unermesslicher Schätze Südafrikas. D. Ü.]

Oppenheimer, bekannt als Big Business-Gegner der Apartheid aber kein Unterstützer der ANC, begann 1991 eine Serie von geheimen Treffen mit führenden Leuten des Bergbau- und Energiewesens des Landes bei sich zu veranstalten zusammen mit den Bossen der US- und UK- Unternehmen. Ebenfalls anwesend waren junge in der USA erzogene ANC-Ökonomen, die Mandela Bericht erstatteten. Die Treffen begannen im Oppenheimers Anwesen Little Brenthurst in Johannesburg, wurden dann aber in die African Development Bank verlegt, an der Straße nach Pretoria, wo es leichter war, sekret zu bleiben. Oppenheime hatte auch regelmäßig Essen mit Mandela, der keine Mühen scheute, um den Bergwerkmogul in Fragen ökonomischer Bedeutung zu konsultieren.

Laut einem Interview im vergangenen August mit dem jetzt 80-jährigen Terreblanche, spielte Uncle Sam eine bedeutende Rolle im Tandem mit Oppenheimer und seiner Brenthurst Gruppe. Die Amerikaner – zuerst unter George H. W. Bush  und noch stärker unter Bill Clinton – drohten dem ANC „in einer eher diplomatischen Weise“ und sagten „wenn ihr nicht unsere Vorschläge akzeptiert, können wir Südafrika destabilisieren“. Terreblanche spekuliert auch, dass die Amerikaner Geld „unter dem Tisch rübergeschoben“ haben.

Ronnie Kasrils
Alles spitzte sich 1994 zu, als der International Monetary Fund einem Darlehen von 850 Mill. $ für den Übergang Südafrikas zustimmte, aber nur, wenn der ANC den mit Oppenheimer, seinen Mogulkumpels und der Clinton-Verwaltung in Washington geschlossenen Deal unterzeichnen würde. Für Südafrikas bekanntesten weißen Revolutionär Ronnie Kasrils, ein Führer der südafrikanische Kommunistischen Partei und mit Mandela Mitbegründer des bewaffneten Flügels „Speer der Nation“, war dies ein Faustischer Moment. Mit allen seinen Bedingungen schloss das Darlehen eine radikale ökonomische Tagesordnung aus, so wie alle anderen Konzessionen, die der ANC machte, „um die Verhandlungen in Gang zu halten und um endlich das gelobte Land unseres Volkes zu erhalten“.

In der neuen Einführung zu seinen Memoiren „Armed and Dangerous“(Bewaffnet und gefährlich) gibt er sich selbst und Mandela die Schuld, „gekniffen zu haben“ mit seinen Worten. „Der Zweifel hatte uns alle erfasst: wir glaubten, fälschlicherweise, dass es keine andere Option gäbe, dass wir vorsichtig sein müssten, da 1991 unser einst mächtiger Verbündete, die Sowjetunion, durch das Wettrüsten bankrott und zusammengebrochen war. Wir hatten unentschuldbar das Vertrauen in die Fähigkeit unserer eigenen revolutionären Massen verloren.“

Hätte das Durchhalten das Blutbad hervorgerufen, das Mandela fürchtete? „Die Apartheid durch Verhandlungen zu brechen, statt durch einen blutigen Bürgerkrieg, schien die Option zu sein, zu gut, um ignoriert zu werden,“ erinnert sich Kasrils. Aber „die Nerven zu verlieren war nicht notwendig oder unausweichlich.“ Die großen Mineral-Reserven des Landes und die sinkende Moral der alten Ordnung hätten es erlaubt, viel größere Vorteile am Verhandlungstisch zu erzielen. „Hätten wir die Nerven behalten, hätten wir mehr Druck ausüben könne, ohne die Konzessionen zu machen, wie wir es taten.“

Ohne ausgiebige historische Forschung kann es niemand mit Sicherheit wissen. Aber der Mangel and Demokratie in dem legal gewordenen ANC, die Geheimhaltung aller Verhandlungen und die Bereitschaft der Bewegung, Mandela zu folgen, der 27 Jahre lang eingesperrt war und nie wirklich die Alternativen beim Beitritt zur privat kontrollierten globalen Ökonomie verstand, gaben Oppenheimer und seinen Alliierten einen enormen Verhandlungsvorteil.


Steve Weissman ist ein Veteran der Berkeley Free Speech Movement und der New Left Monthly Ramparts. Er lebte viele Jahre in London, wo er als Journalist eines Magazins und Fernsehproduzent arbeitete. Er lebt und arbeitet jetzt in Frankreich, wo er Recherchen für ein neues Buch anstellt: „Big Money: How Global Banks, Corporations, and Speculators Rule and How To Break Their Hold“.

Quelle - källa - source

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