Dienstag, 18. März 2014

Britisches Museum: Sex und Lust in japanischer Kunst - eine befreiende Arbeit


Diesen Artikel von Jan Myrdal übersetze ich umso lieber, als ich bereits 1965 in meiner Galerie in der Schweiz eine Ausstellung von den wichtigsten Künstlern der shunga veranstaltete, die sehr gut besucht, aber von den Medien kaum beachtet wurde. Allerdings hatte ich damals nicht die Kenntnisse von Jan
Eine kleine Anmerkung möchte ich noch zu Myrdals Hinweis auf Eduard Fuchs machen. Wir sollten uns auch an Wilhelm Reich erinnern: Hätte die KPD damals die von ihm vorgeschlagene, revolutionäre Arbeit über sexualle Aufklärung mit der Jugend angenommen und verwirklicht, wäre die Jugend in Scharen in die KPD geströmt und in die Betten  ihrer Geliebten statt in die NSDAP und auf die Schlachtfelder.

Britisches Museum: Sex und Lust in japanischer Kunst

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Eine bahnbrechende und befreiende Arbeit

Jan Myrdal

Folket i Bild/Kulturfront 3/14

Aus dem Schwedischen:
Einar Schlereth

In England, die Heimat der Scheinmoral, bricht dieser Katalog mit einer zwei Jahrhunderte alten Heuchelei. Japan hatte aus ökonomischen Gründen unter der Meiji-Restauration sich dem angel-sächsischen Moralismus angepasst, und dort war es bis 1986 verboten, shunga zu publizieren und/oder öffentlich auszustellen.

Im Winter 2013/14 zeigte das Britische Museum die erste grundlegende kunsthistorische und kulturhistorische Ausstellung mit japanischer shunga. Ukiyo-e sind figurative realistische Bilder, meist Holzschnitte, die typisch für die Edo-Periode Anfang des 17. Jahrhunderts bis 1860 sind. Shunga waren erotische ukiyo-e und erreichten im 18. Jahrhundert hohe Auflagen.

Der Katalog mit Beiträgen der bedeutendsten japanischen und internationalen Spezialisten 'Shunga: sex and pleasure in Japanese Art' (Timothy Clark, C. Andrew Gerstle; 1959, ISBN 97800714124766, 536 S.) wird bei Bokia für 452 SEK verkauft [51 € umgerechnet. D. Ü.] Er steht auch in einigen Bibliotheken im Lande.

Er ist wichtig für uns, da er sowohl die Kunst als auch allgemeinpolitische Fragen zur Moral und Gesellschaft aufgreift. In Großbritannien hat es Diskussionen ausgelöst (schaut im Netz nach zum Beispiel bei The Guardian, The Independent und The Telegraph) und in Schweden hat Monica Braw im Svenska Dagbladet vom 28. Dezember 2013 'Shunga - alles, was du über Sex wissen musst'. Formal hat die Bildsicht im ukiyo-e große Bedeutung für die europäische Kunst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehabt. Gerade shunga beeinflusste direkt viele Künstler wie Toulouse-Lautrec, Rodin, Picasso und andere.

Spezifisch für shunga sind die überdimensionierten Geschlechtsorgane. Das ist eigentlich eine Frage des Realismus. Die japanischen Künstler legten Gewicht auf das, was wir alle, die mehr als eine geschlechtliche Erfahrung gemacht haben, wissen, aber aus Tabu-  Gründen nicht sagen: Geschlechtsorgane sind ebenso individuell verschieden und charaktervoll wie Gesichter und Hände.

Katsukawa Shunsho (gestorben 1792), das 12. Blatt in der Serie "Die Fotze der Frau in der Nacht verehren" von 1788. Ein Paar in mittleren Jahren hat sein Liebesleben mit 'Chomeigan', dem damaligen 'Viagra', wiederhergestellt. Der Text lautet:
"Der Mann: Wie ist es? Chomeigan hat eine gewaltige Wirkung, findest du nicht auch? Ich kann dir meinen Saft die ganze Nacht durch geben, bis ich ganz ausgetrocknet bin.
Die Frau: Wahrhaftig! Es kommt mir ununterbrochen. Ich habe das Gefühl, dass ich ohnmächtig werde. Ooh! Ah! Mach weiter. Ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals so gut für mich war."
Robert Darnton (geb. 1939) hat geschrieben, dass die Pornografie, das explizit Erotische, die kommende Revolution in Frankreich intellektuell vorbereitete. Dasselbe kann man von shunga zur selben Zeit in Japan sagen. In beiden Ländern strebte eine bürgerliche Klasse an die Macht. In Frankreich wurde das alte Regime gestürzt, in Japan der Tokugawa -Clan. Bilder und Texte konnten doppelte Bedeutung haben.

In Japan wurde der Kampf gegen shunga staatswichtig für die Meiiji-Restauration 1868, als die neualte Revolution Japan öffnen wollte und das Land mit dem Kapitalismus modernisieren wollte. Denn das Ausland war so empört über shunga, dass die Umstellung darunter litt.
Später, nach 1945 verlangte die Besatzungsmacht das Verbot von Bildern mit Geschlechtshaaren.

Als Gun und ich zum ersten Mal nach Tokyo kamen, gab es als Pornographie nur Hefte mit Bildern von völlig nackten Mädchen zwischen 4 und 12 Jahren. Sie waren bei den GIs sehr populär. (Das beeinflusste die westliche Pornographie-Industrie, indem sie nur glatt rasierte Unterleiber zeigte - was jetzt zur Volksmode im Westen geworden ist). Bis 1986 war es verboten, shunga zu publizieren und öffentlich auszustellen.


Anständigheit hat Geschichte und Funktion. Dass das Britische Museum jetzt mit dem westlichen Tabu "bricht" und im Volk normale Wörter wie Fotze benutzt, ist wichtig. "Eppur si muove." wie Galileo sagte. Sie bewegt sich doch. Die Reproduktin war sogar für den Bestand der Klassengesellschaft notwendig. Aber gerade das Triebleben, die Voraussetzung der Reproduktion, das uns alle daher geprägt hat, lange vor dem Menschwerden, sollte um des Gesellschaftsfriedens willen anständig unterdrückt werden, ebenso wie die Gebärmuttertragenden Frauen auch. Wir sehen das in der Kunst und der Literatur. Die wurden gespalten. Unter der Oberfläche das (vulgäre) Volk mit seinen Witzen, Sagen, Erzählungen, unzüchtigen Bildern und Gegenständen aller Art und darüber, wie ein schwerer Deckel, die edlen Gedichte und die schönen Künste. Aber das Unterdrückte drängte immer wieder nach oben. Auf den Kirchenkapitellen zeigten die Steinhauer das Schamhafte und 1651 ließ Bernini in der Santa Maria della Vittoria in Rom die heilige Teresa vor dem Kirchenvolk einen Orgasmus haben.


Utagawa Kunisada (1788 - 1864) 'Amanojaki', ein böser Himmelsgeist vermag alles umzudrehen (1842). Sowohl die verkehrte Welt als politisches shunga als auch die individualisierten Geschlechtsorgane.

Diese überdeterminierte Prüdigkeit beeinflusst bei uns immer noch nicht nur Gesetze und Sitten, sondern lenkt auch in der Linken recht unangenehme Vorstellungen von Erlaubtem und Verbotenem. Darüber kann man sagen, was Friedrich Engels am 7. Mai 1883 in 'Der Sozialdemokrat' schrieb: "Es ist wirklich an der Zeit, dass wenigstens die deutschen Arbeiter sich daran gewöhnen, ebenso frei darüber zu sprechen, was sie täglich tun oder des Nachts, das Natürliche, das Unausweichliche und außerordentlich Lustvolle, wie es auch die romanischen Völker tun, wie es Platon, Horaz, Juvenal, das Alte Testament und die Neue Rheinische Zeitung tut."

Außerdem sollten wir uns erinnern, dass der Eduard Fuchs (1870-1940), über den Walter Benjamin so einsichtig geschrieben hat, sowohl ein marxistischer Politiker, ein wegen Majestätsbeleidigung eingesperrter Redakteur, ein Kriegsgegner, ein Mitbegründer der Komintern war und derjenige, der die Geschichte der erotischen Bilder sammelte und publizierte und das große Werk der Sittengeschichte, das Goebbels verbot.

3 Kommentare:

  1. Off Topic ; Einar zur Sache eine suspendierte Mitarbeiterin der Arge / Arbeitsamt reißt sich seit geraumer Zeit den Arsch für uns in Deutschland auf , die Sanktionen für Arbeitslose und Sozialhilfe Empfänger zu stoppen ! Ihr Name ist Frau Hannemann aus Hamburg ! Eine Petition mit 92000 Unterschriften legt sie zur Zeit beim Bundestag vor , diese brd - Verwaltung ist nicht gewillt die Sanktionen zu stoppen ! Frau H. erklärt das die Menschen Krank werden zu wenig Geld , keine Perspektive , kein Sozialleben , Kulturelles ist unmöglich , keine Freude , kein Lebensgenuss , der Lebenswille ist für viele fast am Ende , meistens trifft es die Männer erst . Auch ich habe diese Pet. unterschrieben und gesammelt , möglich das Du ein wenig helfen kannst von Deiner Seite aus , mir ist nicht bekannt das solche Sanktionen irgend wo anders auch angewendet werden !? Die einzige Erklärung dafür sind die Worte des Sprechers von Goldmann , er heißt Blankfein , netter Name wie auch immer dieser meint ; haltet Ihr sie Dumm _ ich halte sie Arm ! Wir wollen keine Sanktionen mehr in unserem Deutschland für die abermillionen Arbeitslosen die es gibt ,Naturdeutsche , Urdeutsche ! Sollen sie die Siedler damit belegen wenn sie wollen aber nicht uns das Berechtigte Volk dieses unseres Landes !

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    1. Wie ich sehe, ist die Petition bereits abgeschlossen. Außerdem kann ich von Schweden aus in der Sache wirklich kaum etwas tun. Hier gibt es dasselbe Problem, weil an allen Ecken und Enden gestrichen wird. Sie müssen ja die flugzeuge bezahlen, die in Afghanisten Frauen und Kinder bombardieren müssen. Und bitte nicht hier weiterdiskutieren. auf der Seite über mich findest du alle Angaben, um mich zu erreichen.

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  2. Ist schon verrückt, dass in der Schule KEINE praktische Liebeskunst unterrichtet wird. Sexkunst sehe ich wie die Kochkunst. Auch wenn bei beiden etwas Technik und Geschick nicht fehlen dürfen, werden die Sinne in höchstem Masse angesprochen. Die Reihenfolgen bei der Weinprobe, bei den Speisen sind sehr ähnlich der Reihenfolge der Berührungen. Welche Intensität zu welcher Zeit an welchen Körperstellen ? Welche Rolle spielt die Stimme, der Geruch, Gefühlswunsch einmal aktiv einmal total ohnmächtig zu sein ?
    Von Wilhelm Reichs Ausarbeitungen gefiel mir die am besten, warum die Angehörigen der Arbeiterklasse am wenigsten verklemmt sind. Fiel mir in der Praxis bei Frauen auch so auf. Während das intellektuelle, jungfräulich, frigide Bürgertöchterchen Jahrzehnte super theoretisch über ihren G-Punkt (sogar in Talkshows) referiert, hat die Arbeitertochter schon mehrere Fussballmanschaften vernascht.

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