Samstag, 1. März 2014

Vandana Shiva 'Jenseits des Wachstums' - ein radikales Buch

Von und über Vandana Shiva habe ich auf meinem Blog schon etliches aufgelegt. Heute will ich euch ihr neues Buch vorstellen, das 'JENSEITS DES WACHSTUMS' heißt und im Rotpunktverlag 2014 erschienen ist. Es hat 280 S. und kostet 19.90 € 

Einar Schlereth
1. März 2014
Die Autorin gehört zu den Intellektuellen, die auch komplizierte Themen und Zusammenhänge auf verständliche Weise darzustellen weiß. Sie kennt natürlich den Krieg in Afghanistan, quasi vor Indiens Haustür, und im Irak, aber sie greift hier den globalen Krieg auf, der überall gegen die Natur, die Grundlage allen Lebens auf dem Planeten, mit geradezu unglaublicher Besessenhheit geführt wird. Es handle sich hier, so meint sie, um eine andere Form von Massenvernichtungswaffen, durch die Millionen Menschen getötet werden, ein guter Teil von ihnen Mütter und Kleinkinder. Diese Millionen bekommen wir selten zu sehen - in einzelnen Dokumentarfilmen, Artikeln - meistens jedoch nur in Form von Statistiken. Und dieser Krieg findet nicht erst seit gestern statt. Sie führt ein Zitat von dem berühmten indischen Dichter Rabindranath Tagore an von 1922:

"Die Versuchung eines maßlos hohen Lebensstandards, der einst nur einem kleinen Teil der Gesellschaft vorbehalten war, verbreitet sich zusehends. Es ist verheerend für jede Zivilisation, wenn sie gegenüber dieser ansteckenden Genusssucht blind ist und ihr keine Grenzen setzt."

Vor fast 100 Jahren wurde dies geschrieben und wir haben immer noch nichts gelernt. Wir halten weiter an dem kapitalistischen Wachstumsmodell fest und was früher auf einzelne große und kleinere Länder begrenzt war, ist durch die einzig verbliebene Supermacht in Washington durch eine rabiate, aggressive Politik globalisiert worden. Dieser Krieg wird nicht nur mit militärischen Waffen geführt, sondern mit Hilfe von Weltbank, IWF, Multis, NGOs (Soros, Bill Gates), Geld, Bestechung, Korruption, Grünen Revolutionen und nicht zu vergessen den Medien.

Aber überall wehren sich die Menschen, was Vandana an vielen Beispielen auch in Indien behandelt - aus dem Nordosten, dem Nordwesten, dem Zentrum, dem Südwesten und Südosten. Sie war an vielen dieser Bewegungen des Widerstands beteiligt. Durch diese Schilderungen und die Behandlung der einzelnen Methoden, die vom Staat und den nationalen sowie internationalen Multis angewandt werden, entsteht ein völlig anderes Bild, als wir es durch die Medien kennen. Ein Bild der Gewalttätigkeit, des Widerstands, der Opfer durch Krieg, Hunger, Selbstmord. Und die angeblich größte Demokratie? Die demokratischen Spuren muss man mit der Lupe suchen.

Aber sie greift immer wieder und sehr entschieden die These der Multis an, dass es keine Alternative  zu deren Rezept des ununterbrochenen Wachstums gäbe. Aber es gibt Alternativen, die wir ergreifen müssen, denn "das gegenwärtige System KANN NUR MIT IMMER MEHR GEWALT AUFRECHTERHALTEN WERDEN".

Alternativen werden, schreibt Vandana, von indigenen Gemeinschaften bereits verwirklicht. Etwa von Bauern, von Frauen, von jungen Menschen in den neuen Bewegungen wie Occupy Wall Street.

Vandana führt einen neuen Begriff ein: Öko-Apartheid, "die auf der Illusion beruht, dass in unserem Leben und Denken Mensch und Natur separiert werden können. Dies ist deshalb eine Illusion, weil wir Teil der Natur und der Erde sind und nicht abgesondert von ihr existieren".

Was ich an dieser Frau so schätze, ist, dass sie auf ihre ruhige, sanfte Art äußerst prinzipienfest und radikal ist. Sie schwenkt keine Fahnen und gibt keine lauten Parolen aus, sondern listet die endlosen Verbrechen auf, belegt sie, mitsamt den Rechtfertigungen und Ausreden und Lügen, und sie kommt immer wieder zurück zu ihrer Erkenntnis, dass dieses System gewalttätig, faschistisch, undemokratisch, unmenschlich ist und beseitigt werden muss ohne wenn und aber, und nicht vielleicht hier oder da verbessert und neu gestrichen werden sollte. Nein, das System arbeitet mit kriminellen Machenschaften, mit Betrug, Korruption und Lügen, mit Mord und Totschlag und mit Polizei und Militär (die Operation Green Hunt etwa) und äußerster, brutaler Rücksichtslosigkeit, was unsere Gesellschaften, unsere Kultur, die sozialen Netze und Gemeinschaften und die Menschen physisch und seelisch zerstört. Und so ein System muss weg. Ohne wenn und aber.

Und es tut ihr ebenso in der Seele weh wie mir auch, dass der Mensch, zum Teil auch wir alle, die wir lange genug geschwiegen haben, schon hunderte, Unsinn tausende und aber Tausende Arten auf der Welt vernichtet haben. Als ich das vor ein paar Jahrzehnten zum ersten Mal las, erfasste mich eine große Trauer. Alle diese Arten an Flora und Fauna verschwinden, als hätte es sie nie gegeben. Wer weiß denn, ob und welchen Einfluss all diese Arten auf unser Leben, auf unsere Umwelt, auf das Klima - ja, zum Beispiel der Algentod in den Weltmeeren hat Einfluss auf das Klima - gehabt haben? Niemand kann uns das sagen, denn die Arten sind weg für immer.

Und Vandana weiß das alles und sie hat Alternativen gezeigt und in ihrer Modellplantage Vandanya bewiesen. Und das kann sich auch jeder anschauen (wenn nicht in Indien dann auf YouTube.). Und wenn sie auf andere Alternativen verweist - die Bauern und Frauen - dann beschreibt sie im Grunde, was revolutionäre Bewegungen in einigen Gebieten Indiens heute schon verwirklichen. Das versteht in Indien gewiss eine Menge von Leuten.

Ich habe mir eine Menge Notizen bei der Lektüre gemacht, aber ich lasse es bleiben, das alles hier aufzuzählen. Ich werde stattdessen hier nur noch die Inhaltsangabe angeben, damit ihr einen Begriff von der Themenbreite bekommt.

Vandana Shiva 'Jenseits des Wachstums'

Teil I
Kriege gegen die Erde . 9
1 Öko-Apartheid als Krieg im 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . .  11
Warum wir mit der Erde Frieden schließen müssen . . . . . . . . . . . . . .  16
Der Krieg in den Köpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  21
Ohne Natur keine Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  25
Krieg gegen die Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  34
Selbstverwaltung statt Wirtschaftssklaverei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  41
2 Der große Landraub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Das Prinzip der Sonderwirtschaftszonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  45
Umweltapartheid in Gopalpur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  54
Der Widerstand der Kewra-Farmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  57
POSCO-India ist nicht indisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  63
Kraftwerk in Dadri gestoppt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  69
Indonesischer Chemieriese in Nandigram . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  71
Widerstand in Nandigram . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  73
Bergbaukrieg in Niyamgiri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  77
Von Fukushima nach Jaitapur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  85
Operation Green Hunt gegen Landbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . 90
3 Wasserkriege und Wasserfrieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
Wenn der Ganges lebt, lebt Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  106
4 Klimakriege und Klimafrieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Klimawandel am dritten Pol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
Klimawandel und Wasserkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  120
Rettet den Himalaja . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   123
 5 Waldkriege und Waldfrieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  127
Kann die freie Marktwirtschaft Wälder schützen? . . . . . . . . . . . . . . . 132
Kann die Kommerzialisierung des Waldes
Grundbedürfnisse decken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Kann industrielle Aufforstung das ökologische
Gleichgewicht erhalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Kann die Vermarktung von Ökosystemdienstleistungen
die Erde retten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  142

TEIL II
Nahrungskrisen, Nahrungsgerechtigkeit,
Nahrungsfrieden . ........................................................................147
6 Hunger nach Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  149
Gerissene Nahrungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
Wieso eine Milliarde Menschen hungern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Nahrung als Einsatz im globalen Kasino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
Synthetische Biologie und Artenvielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  164
7 Der globale Kampf um das Saatgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  172
Gen-Giganten und Saatgut-Monopole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
GVO: eine Scheinlösung gegen den Hunger . . . . . . . . . . . . . . . . . .  178
Bt-Pflanzen: ein Garant für Super-Schädlinge . . . . . . . . . . . . . . . . .  180
Herbizidresistente Pflanzen: ein Garant für Super-Unkraut . . . . . . . . 182
Falsche Versprechen: GVO als grüne Lösung
gegen den Welthunger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  184
Sicherheit und der Mythos der substanziellen Äquivalenz . . . . . . . .  187
Genetische Verschmutzung ist unvermeidbar,
Koexistenz unmöglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  190
Das Recht auf Information und Ernährungsdemokratie . . . . . . . . . . 193
8 Hunger durch globalen Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  197
Die Zerstörung der Mandis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  205
Handelsdemokratie gegen Unternehmensdiktatur . . . . . . . . . . . . . . . 213
Die Weltbank und die Nahrungsmittelindustrie . . . . . . . . . . . . . . .  221
Das Nahrungssystem neu gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  225

SCHLUSS. 231
9 Jenseits des Wachstums: Warum wir mit der Erde Frieden
schließen müssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  233
Der Aufstieg der indischen Oligarchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
Mittal: Unternehmenskonzentration in der Stahlindustrie . . . . . . .  241
Das Reliance-Imperium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  243
Marktwirtschaft versus Naturwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  247
Jenseits der »freien« Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  250
Die Stimmen der 99 Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
Frieden schließen mit der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  257
Anhang . 261
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
Glossar

1 Kommentar:

  1. Mehr und noch mehr benötigen wir von solchen Menschen , die Erkennen sehenden Auges wir haben alle eine Verantwortung für uns , Flora und Fauna den Tieren und uns selbst und unseren Nachkommen ! Danke Einar .

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