Mittwoch, 29. Juli 2015

Fünf Mythen über ökonomisches Wachstum


Brian Czech
25. Juli 2015


Aus dem Englischen: Einar Schlereth

Mythos Nr. 1: Es ist ökonomisch
Um ökonomisch zu sein, muss etwas mehr wert sein, als es kostet. Ökonomische Aktivität per se ist eher günstig als schädlich. Technisch ausgedrückt: „marginelle Nützlichkeit ist besser als marginelle nicht-Nützlichkeit“.

Wenn man einen Teppich mag, aber die Enkelkinder mehr mag, wäre es nicht schön, ihnen den Teppich unter den Füßen wegzuziehen. Das ist elementare Mikroökonomie. Doch wenn wir uns umschauen und ein bisschen nachdenken, sieht es dann nicht so aus, dass all die ökonomische Aktivität den Großen Teppich allen unseren Enkeln unter den Füßen wegzieht? Wasserknappheit, Umweltverschmutzung, Klimawechsel, Lärm, Staus, gefährdete Spezies … für die Nachwelt wird es kein Ritt auf dem Fliegenden Teppich werden.

Wachstum ist wahrscheinlich größtenteils in der amerikanischen Geschichte ökonomisch gewesen. Aber wir müssen erkennen, wenn sich die Zeiten ändern und frühere ökonomische Ziele überholt sind. Im 21. Jahrhundert, als wir das fracking von Teersand überall betrieben und tonnenweise Rohöl in die schönsten Fischereigründe kippten beim Versuch, die Ökonomie noch mehr wachsen zu lassen, sah das mehr nach vergeblicher Mühe aus. Das ist elementare Makroökonomie.
Mythos Nr. 2: Ökonomisches Wachstum ist oft wunderbar

Jetzt haben wir das chinesische Mirakel. Angeblich stehen wir an der Schwelle zu einem indischen Mirakel. Und wir hatten ja auch schon ein allgemeines asiatisches Mirakel, als wir es mit „Tigern“ zu tun hatten.

Wir hatten ein brasilianisches, italienisches, griechisches (ja griechisches!), spanisches und nordisches Mirakel. Es hat ein Taiwan-Mirakel gegeben, das Mirakel in Chile und sogar ein Massachusetts Mirakel. Vergesst nicht das frühe Japan Mirakel und die mehr als ein deutschen Mirakel.

Lasst uns hoffen, dass es nicht die Art von Mirakeln sind, nach denen Leute zu Heiligen gemacht werden. Ein heiliger Dukakis vielleicht?

Nein, ökonomisches Wachstum war niemals nirgends ein „Wunder“. Es war niemals was anderes als zunehmende Produktion und Konsumption von Gütern und Diensten insgesamt. Es bringt mit sich zunehmende Bevölkerung oder pro-Kopf-Konsum, die in einer wachsenden Ökonomie Hand in Hand gehen. Es wird mit dem BNP gemessen.

Großartig, nicht? Vielleicht sind die Wallstreet-Investoren und Journalisten leicht erregbar, und man kann leicht von einer Wachstumsrate überrascht werden, aber „Mirakel“?

Mythos Nr. 3: Wachstum ist kein Problem für die Umwelt, weil wir die Ökonomie ent-materialisieren

Na, das wäre ein Wunder.

Lasst uns eins klar machen: Die Ökonomie dreht sich allein um Materialien. „Güter“ mit einem Wort. Oh, natürlich, Dienstleistungen zählen auch. Aber der überwiegende Teil der Dienstleistungen dient dem Zweck der Beschaffung, des Managements oder Genießens unserer Güter.

Der größte Dienstleistungssektor ist der Transport, der für enorme Umwelt- (und soziale) Auswirkungen verantwortlich ist. Transport ist auch lehrreich für die Beziehung zwischen Gütern und Dienstleistungen. Die Leute stellen sich nicht um x-beliebige Transporte an. Nein, es geht darum, Materialien zu bewegen – Güter für die Leute – von Punkt A nach Punkt B und sie ökonomisch zu bewegen. Jede Form des Transports braucht Energie und reichlich Nachschub an Material (für Fahrzeuge und Infrastruktur) und Platz.

Bei all dem Gerede von der „Ent-Materialisierung“ muss es doch sicher Dienstleistungen geben, die jenseits des Physischen liegen oder? Wie steht's mit der Informations-Ökonomie?

Mythos Nr. 4
: Die menschliche Ökonomie gelangt über das Jagen und Sammeln zur Landwirtschaft und weiter zur Fabrikation und schließlich zur Informations-Ökonomie.

Vergesst nicht unsere Lektion über den Transportsektor: kein Transport um des Transportes willen. In der „Informations-Ökonomie“, wozu wird denn all die Information benutzt? Wenn nicht für Aktivitäten wie Landwirtschaft und Fabrikation (und Transport), wie kann sie dann für ökonomisches Wachstum eine Rolle spielen?

Tatsache ist, es gab niemals – oder immer – eine Informations-Ökonomie. Die Jäger im Pleistozän mussten besser die Mammuth-Spuren lesen können als wir unsere Twitter-feeds.

Wenn es jetzt um die Verarbeitung der Information geht, dann war der Komputer mehr oder weniger eine „revolutionäre“ Erfindung, wie die Verbrennungsmaschine für den Verkehr. Aber was ist weniger materiell daran? So wie die heutigen Jäger halbautomatische Waffen mit Hochleistungsoptik, so hat man nun (materielle) Komputer, die einem helfen, Informationen zu sammeln, um mehr (materielle) Gewehre, besser das (materielle) Terrain zu sondieren und mehr (materielles) Wild zu schießen. Sieht irgendetwas grüner aus als zuvor?

Die Information ist umfangreicher geworden, gewiss, im Gleichschritt mit den materiellen Gütern und Diensten, wofür sie genutzt wird. Aber von einer „Informations-Ökonomie“ zu sprechen, heißt nach einer Art ökonomischem Mirakel zu greifen, und wir haben gesehen, wie billig die Wunder in der ökonomischen Rhetorik sind.

Mythos Nr. 5
: Aber ökonomisches Wachstum ist wenigsten egalitär, weil eine Flut alle Boote steigen lässt.
Die Flut war vielleicht einmal eine Metapher von einiger Bedeutung. Im 21. Jahrhundert – denkt an die Ressourcen-Kriege, Klimatwandel, bedrohte Spezies – ist es eher eine Flut, die alle Häuser unter Wasser setzt. Was uns zum Mythos Nr. 1 zurückführt.

Es scheint, dass all das Gerede von ökonomischem Wachstum überzogen ist, eher das Ergebnis von Wallstreet-Aufregung und politischer Rhetorik als nüchternes Denken. Vielleicht ist das, was wir wirklich wollen, eine schlanker werdende Ökonomie.


Dr. Brian Czech ist Autor, Lehrer, Vollzeit-Naturschutzbiologe bei der US-Artenschutzbehörde und eine anerkannte Autorität für ökologische Ökonomie.

Quelle - källa - source





2 Kommentare:

  1. also diese erkenntnisse
    zu 1. "ökonomisches wachstum ist ökonomisch" - ich staune, darauf wäre ich nie gekommen
    zu 2) die "wirtschaftswunder" sind keine echten wunder, sondern nur eine metapher für rasantes wachstum! nee, echt jetzt? und ich dachte die engel kommen persönlich herunter und zaubern es her!
    zu 3) ein paar fakten, die die aussagen untermauern wären nicht schlecht, z.b. ein vergleich der umweltbedingungen in industrie- schwellen und entwicklungsländern, dann die erklärungen was denn die "sozialen" folgen des transportwesens sind und ob diese positiv oder negativ zu bewerten sind.
    zu 4) dass die information SELBST das produkt sein kann - medien, spiele, filme, musik, soziale netzwerke - ist noch nicht aufgefallen? und dass die dafür notwendigen speicherträger immer kleiner werden und weniger rohstoffe verbrauchen dürfte auch nicht neu sein.
    zu 5) sicher, dass die ressourcenkriege nicht eher aus dem amerikanischen wunsch ihre schrottwährung zu decken und aus dem wunsch der rohstoffreichen länder mit staatsfirmen monopolgewinne für ihre oligarchen zu erzielen folgen als aus tatsächlicher knappheit der rohstoffe? warum wurde die "globale erwärmung" eigentlich zum "klimawandel" umgetauft? ist ökonomisches wachstum nicht zwingend notwendig solange die bevölkerungszahlen wachsen?
    wenn "wir" eine "schlanker werdende ökonomie" wollten, bräuchten die, die das "wir" einschließt nur ihren verbrauch zu reduzieren. ich sehe wenige versuche, dass auch tatsächlich zu tun.

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    1. Hallo,
      mich wundert wofür es alles Titel wie Dr. gibt.
      Im Grund ist es mir zu schlicht auf den Quark zu antworten. Da ist Eugen Düring fast weiter.
      Alles wird zu seinem Wert verkauft.Wie kann jemand darauf kommen: "Um ökonomisch zu sein, muss etwas mehr wert sein, als es kostet."

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