Über die konkreten Folgen, die tonnenweisen total verseuchten, vergifteten und verstrahlten Wassermengen, die stündlich, jede Sekunde in den Pazifik abgegeben werden, die langsam aber sicher auf die ganze Welt verteilt werden sind nicht der Erwähnung wert. Die furchtbaren Folgen der pausenlosen, aber natürlich ungefährlichen A-Bomben der Amerikaner im Pazifik auf dem Bikini Atoll sind ja auch erst viel später ans Licht getreten in Form einer Pest, die 100 Male schlimmer als Covid ist: der Krebs. Davon redet man nicht gern. Wir sind den Amerikanern ja trotzdem dankbar. Die Fukushima-Reaktoren waren ja auch von den großartigen Amerikanern gebastelt. Auch davon soll man nicht sprechen.
Vor der Katastrophe |
Ali Ahmad, Aditi Verma, Francesca Gionvannini
12. März 2021
Aus dem Englischen: Einar Schlereth
Ein Jahrzehnt danach wirken die live im Fernsehen übertragenen Aufnahmen der dramatischen Wasserstoffexplosionen im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi und die darauf folgenden Störungen von Lebensgrundlagen, Ökosystemen und wirtschaftlichen Aktivitäten immer noch nach.
Nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 wurden mehrere neue Institutionen für nukleare Sicherheit wie die World Association of Nuclear Operators und die Convention on Nuclear Safety gegründet. Dennoch benutzte die westliche Atomindustrie einen "Wir und die anderen"-Vorwand, um einige der inhärenten und globalen Mängel in der nuklearen Sicherheitspraxis zu verschleiern, indem sie behauptete, dass ein Unfall wie in Tschernobyl, der durch fehlerhafte Technologie und Betriebspraktiken verursacht wurde, niemals innerhalb ihrer eigenen nationalen Grenzen passieren könnte. Dann kam Fukushima, eine Katastrophe, die ein solches Narrativ auf den Kopf stellte und die Grenzen der Atomindustrie beim Verständnis der Risiken von sogenannten "auslegungsüberschreitenden Unfällen" aufzeigte.
Inmitten einer sich abzeichnenden Klimakrise und der dringenden Notwendigkeit, die Emissionen zu mindern, könnte eine Analyse der Kosten, Risiken und Vorteile der Kernenergie nicht aktueller und relevanter sein. Wenn der globale Ausbau der Kernenergie zur Bewältigung des Klimawandels unvermeidlich ist, wie können wir dann die Auswirkungen des nächsten nuklearen Unfalls oder der nächsten Katastrophe verhindern oder zumindest abmildern? Wenn nukleare Unfälle vorstellbar sind, dann können wir die Unvermeidbarkeit zukünftiger nuklearer Unfälle akzeptieren und unsere Bemühungen ebenso sehr auf die Schadensbegrenzung wie auf die Unfallverhütung konzentrieren?
Es ist nicht einfach, in einer polarisierten und meinungsfreudigen Welt kohärente und glaubwürdige Antworten auf diese Fragen zu geben. Nichtsdestotrotz haben wir uns dieser Aufgabe angenommen, als wir "Nuclear Safety and Security after Chernobyl and Fukushima: Lessons learned and forgotten", eine dreitägige internationale Konferenz, die vom Project on Managing the Atom an der Harvard Kennedy School of Government ausgerichtet wurde.
Diese Kommentarreihe ist mehr als nur ein Destillat der Ansichten, die während der Konferenz von einigen der weltweit führenden Denker, Wissenschaftler und Praktiker zum 10. Jahrestag von Fukushima vorgetragen wurden. Es ist ein Aufruf zum Handeln, zur Veränderung und zu einem echten kollektiven Engagement.
Wie unsere Experten in dieser Serie berichten, gibt es viele Lektionen, die aus vergangenen Atomkatastrophen gelernt und vergessen wurden. Aber im Großen und Ganzen lassen sie sich in vier Themen zusammenfassen:
Erstens: Die Auswirkungen von Nuklearunfällen sollten nicht allein quantitativ gemessen werden. Quantitative Maße wie die Zahl der Todesopfer oder Todesfälle pro Kilowattstunde sind nicht nur unangemessen, sie sind unvollständig und unethisch. Das anhaltende menschliche Leid, das aus der erzwungenen Umsiedlung und Umsiedlung aufgrund der Zerstörung menschlicher Lebensräume und Ökosysteme resultiert, sollte gründlich gewürdigt und berücksichtigt werden.
Zweitens gibt es viele immaterielle und nicht quantifizierbare Aspekte der nuklearen Sicherheit. Dazu gehören eine gute Organisationskultur (im Nuklearjargon "Sicherheitskultur"), Führung, Gedächtnis (damit wir uns an unsere vergangenen Fehler erinnern können) und Vorstellungskraft (damit wir das Unerwartete vorhersehen können). Wir müssen über die Hardware hinausschauen, wenn wir über Sicherheit nachdenken. Wir müssen nicht nur technologisches Versagen, sondern auch organisatorisches, institutionelles und menschliches Versagen in Betracht ziehen und untersuchen, wie jedes dieser Elemente miteinander interagiert.
Drittens ist es von entscheidender Bedeutung, eine Balanz zwischen dem Austausch von Informationen und der Harmonisierung von Praktiken und Ansätzen zu finden, während gleichzeitig in Bezug auf Sicherheit länderspezifische Denkweisen entwickelt und bewahrt werden. Dennoch sollten diese gemeinsamen Mechanismen für Rechenschaft die nationale, organisatorische und individuelle Rechenschaftspflicht nicht verwässern.
Abschließend sei ein Aphorismus wiederholt: Ein nuklearer Unfall irgendwo ist ein Unfall überall. Länder neigen dazu, zu behaupten, dass ein Unfall innerhalb ihrer eigenen Landesgrenzen aufgrund von Unterschieden in der technologischen oder institutionellen Gestaltung niemals passieren könnte. Wenn wir uns auf das Narrativ des nationalen Exzeptionalismus einlassen, verpassen wir die Möglichkeit, voneinander zu lernen und bereiten uns auf zukünftige Katastrophen vor.
Wir hoffen, dass die hier vorgestellten Kommentare zu einem erneuten und kreativen Nachdenken über die Zukunft der nuklearen Sicherheit und der Governance von Nukleartechnologien anregen.
Anmerkung der Redaktion: Diese Sammlung wurde in Zusammenarbeit zwischen dem Project on 'Managing the Atom' an der Harvard Kennedy School und dem Bulletin erstellt.
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