Halvor Fjermeros
25.März 2016
Aus dem Norwegischen: Einar Schlereth
Osteraufstand 1916 |
Halvor Fjermeros |
Dublin ist voll mit Jubileums-Feiern. Ganze Wände sind dekoriert mit 1916-Wandmalereien, es gibt Draperien und Kampf-Banner mit Bildern von bekannten und weniger bekannten Gesichtern des Aufstandes, die Buchhändler in der Stadt haben ganze Schaufenster ausschließlich Büchern über 1916 gewidmet und eine Flut von Büchern ist im vergangenen Jahr erschienen, deren Titel entweder „1916 „ oder „The Easter Uprising“ enthält. Die Theater bringen alte und neue Stücke auf die Bühne.
Das Abbey-Theater, wo mehrere der Aufrührer arbeiteten, bringen das klassische „The Plough and the stars“ (Der Pflug und die Sterne) von Sean O'Casey, das 1926 zum 10. Jahrestag des Aufstandes geschrieben wurde. Ein neu geschriebenes Stück 'Inside the GPO', wird direkt im Hauptpostamt (GPO= General Post Office)
Theater-Aufführungen |
aufgeführt, wo die Anführer niedergekämpft und gefangen genommen wurden, um danach hingerichtet zu werden. Und ein paar Viertel weiter wird das Stück „Die Revolution 1916“ aufgeführt. Ja, alle Wände des 12 Etagen-Baus von Irlands größter Gewerkschaft Siptu sind dekoriert mit ernormen ganz deckenden Fassadenplakaten von Arbeiterführern und weiblichen Aufständischen im brutalen Protest gegen die mehr als hundert-jährige britische Vorherrschaft in Irland.
Kurz gesagt: Dublin ist 1916 an diesem Osterfest. Sogar der Pub, in dem ich sitze und schreibe, der mit dem schönen Namen „The Hairy Lemon“, nicht weit von der Einkaufsstraße Grafton Street, hat die Fenster mit Portraits der Helden vom Osteraufstand dekoriert, die sieben Anführer, die den entscheidenden und fatalen Beschluss fassten, den bewaffneten Aufstand gegen die britischen Besatzer in den Apriltagen 1916 zu beginnen.
1976 bis 2006 waren alle Feiern verboten
„Die Erinnerungen an den Osteraufstand werden die größten in der Geschichte (des irischen) Staates“, schreibt The Irish Times heute, am 24. März 2016. Also lasse ich keine Zweifel in meiner Beobachtungsfähigkeit zu. Aber es war nicht sicher, dass es wahr werden würde. Im Gegenteil, der Osteraufstand war eine Pest in der Geschichte der irischen Republik, die versuchte, ihn vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Aber auf wunderbare Weise sollten alle Dämme brechen vor dem Hundertjahr-Jubileum. Plötzlich brach ein Strom los von Wahrheit suchender Neugierigkeit und verstecktem irischen Stolz und walzte alle Versuche der Behörden nieder, die Gefühle des irischen Volkes für seine eigene Geschichte zu zügeln.
Aengus O'Snodaigh weiß viel darüber. Er ist Mitglied des Parlamentes in Eire, The Dail, und ist als Vertreter der Sinn Fein mit im Komité gewesen, das 10 Jahre lang die Verantwortung für die Erinnerungsfeiern 1916 hatte. Es war 2006, dass der damalige Ministerpräsident Bertie Ahern endlich das Blatt vom Mund nahm und bestimmte, dass Irland in diesem Bereich seine Praxis ändern müsse.
„Seit 1976, nachdem „The Troubles“ Nord-Irland erfassten und damit auch die Republik Anfang der 1970-er Jahre, gab es keine offizielle Feiern des Osteraufstands bis 2006. Es war nur in dem nord-irischen republikanischen Milieu, wo an 1916 erinnert wurde. Diejenigen, die in jenen fast 40 Jahren feierten, wurden als „Männer der Gewalt“ abgestempelt, selbst lange nachdem das Friedensabkommen in Nord-Irland in den 1990-ern geschlossen wurde. 1966, am 50. Jahrestags des Aufstandes gab es Erinerungsfeiern im großen Stil. Aber drei Jahre später, 1969, begannen „The Troubles“ …“
Das Merkwürdige ist, dass die politischen Parteien von gewisser Größe in Irland aus dem irischen Nationalismus entstanden sind und erklärte republikanische Parteien sind. Fianna Fail, die eine der zwei großen, die sich in der Regierungsmacht abwechseln, hatte „republikanisch“ im Partei-Logo seit ihrer Entstehung in der Zwischenkriegszeit, aber die Zeile darunter wurde in jedem Jahrzehnt, das verging, kleiner und kleiner, sagt O'Snodaigh, wo deutlich stand: republikanische Aufstandspartei Sinn Fein.
Zensur und Historiker-Revisionismus
Die Revolte, angeführt von dem irischen Freiheitskämpfer und Dichter Padric Pearse und dem Arbeiterführer James Connolly, war absolut keine Tee-Gesellschaft. Aber es war auch nicht die Art des irischen Staates, die militante republikanische Opposition fünfzig Jahre später zu behandeln. Denn als der Aufstand im Norden begann, wollte die politische Führung um jeden Preis verhindern, dass die IRA und die Sinn Fein- Bewegung auf die Republik über die Grenze abfärben. 1976 nahm das Parlament in Eire ein Zensurgesetz, Section 31, an, das speziell gemünzt war auf das staatliche Radio RTE, um unerwünschte republikanische Propaganda zu verhindern (d. h. IRA/Sinn Fein-Äußerungen). Dieses Gesetz wurde nicht vor 1994 aufgehoben.
Es waren die Parteien Fine Gael und Labour, die an der Spitze standen für eine Revidierung der irischen Aufstands-Geschichte, die vor allem ab 1970 in Gang kam (es war der Labour-Minister, der auch an der Spitze stand bei der Einführung des Zensurgesetzes 1976). Dieser Revisionismus versuchte systematisch, frühere Darstellungen von 1916 zu untergraben, indem man Fakten bezweifelte, sagt Aengus O'Snodaigh, der im übrigen Sohn eines Historikers ist, der mitten in diesen Kämpfen stand in seinem berufstätigen Leben.
Plakat zu den Feierlichkeiten |
Durch seine 10-jährige Arbeit für das Gedenken an 1916 hat er Änderungen erlebt, die im Verlauf des vergangenen Jahres eingetreten sind. So spät wie 2014 im Herbst gab es großen Widerstand gegen öffentliche Feiern in dem Ausmaß, wie es jetzt zustandegekommen ist. Aber eine Graswurzelbewegung des Volkes ist aufgetreten, von Schulklassen bis hin zu Kulturarbeitern, die an 1916 auf hundert verschiedene Arten erinnern wollen.
Der Propaganda-Krieg geht weiter
In der Bücherflut finde ich einen Titel, der darauf deutet, dass das Parlamentsmitglied von der Sinn Fein Unterstützung für seinen Gesichtspunkt erhält. 'Who's afraid of the Easter Rising? 1916-2016' heißt das Buch, geschrieben von James Heartfield und Kevin Rooney. Im Vorwort sprechen sie von dem berühmten 80-Sekunden-“promotional video“ mit dem Programm für die 2016-Feierlichkeiten. „Gedankenarm und banal, der Film war ein Traum eines Verfassers von Komödiensketches“, schreiben die beiden und nennen Anleihen von Dichtern, U2, Bob Geldof, der englischen Königinmutter, dem britischen Staatsminister Cameron und verschiedenen Sportstars. „Aber nirgends wird Patric Pearse, James Connolly oder ein anderer der Führer des Aufstandes von 1916 genannt.“ Hingegen gibt es Referenzen auf globale Konzerne wie Facebook und Linkedin die sich auch in Irland in neuester Zeit niedergelassen haben.
Der Kampf um die Geschichte geht also weiter mit anderen Mitteln, selbst wenn es schwierig ist, um das Faktum herumzukommen, dass der bewaffnete Aufstand gegen die britische Ockupationsmacht eine der Voraussetzungen war für die Entstehung eines freien Irland – wenn auch zweigeteilt durch die alten Besatzer.
Quelle - källa - source
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