Samstag, 18. Januar 2014

Steht Eritrea wirklich in der Kälte?

Eine exzellente Analyse der 'Beziehungen' der USA mit Eritrea. Kibreab Tesfay zeigt alle die Tricks und Kniffe auf, die von den USA angewandt wurden, um dieses kleine Volk unter den Stiefel Äthiopiens - seit Haile Selassies Zeiten fast ununterbrochen bis heute der getreueste US-Vasall - zu bringen. Aber wieder und wieder hat das tapfere eritreische Volk die gewaltige Übermacht Äthiopiens vernichtend geschlagen. Nun versuchen die USA es erneut, Eritrea unter die 'Pax Americana' zu bringen, doch es wird nicht gelingen, wenn sie nicht ihre Politik gründlich ändert, meint Tesfay.


Kibreab Tesfay
17. Januar 2014


Des ehemaligen stellvertretenden US-Außenministers für Afrika Herman Cohens Artikel 'Time to Bring Eritrea in from the Cold' (veröffentlicht von 'African Arguments' am 16. Dezember 2013) scheint großes Interesse unter den Afrika-Experten erregt zu haben, obwohl es wenig Beweise für ernste Selbstprüfung und Rückblicke auf die Politik innerhalb des Foggy Bottom Viertels von Washington [das Botschafter-Viertel] und anderen wichtigen Fühlern des US-Außenpolitik-Establishments zu geben scheint.
Doch in der Tat haben die von Botschafter Herman Cohen angeführten Argumente zur Auffrischung der US-Eritrea-Beziehungen und der Beseitigung der unberechtigten UN-Sanktionen, die vor allem auf  Druck Washingtons Eritrea auferlegt wurden, verschiedene Reaktionen in der Region hervorgelockt sowie weitere Artikel und Gegenmeinungen von US-Botschafter in Äthiopien David Shin und Botschafter Princeton Lyman vom US-Institut of Peace.

Abgesehen von den schrillen, kurzsichtigen und vorhersehbaren Ansichten von den eingefleischten äthiopischen Beamten (Botschafter Tekeda Alemu und seinesgleichen), stimmen alle Protagonisten in drei wichtigen Punkten überein;
1) dass alle Behauptungen über Eritreas Verbindungen mit der Al-Shebaab unwahr sind und hauptsächlich mit politischen Absichten herbeigezaubert wurden;
2) die von dem UNSC auferlegten Sanktionen legal unangemessen und konterproduktiv waren und
3) eine Verbesserung der US-Eritrea-Verbindungen wichtig ist und für die Stabilität und Sicherheit der unruhigen Region am Horn von Afrika Gutes verheißt.

Aber da endet der offenbare Konsens. Wie's der Zufall will tauchen Risse in den Darstellungen und Perspektiven der verschiedenen Autoren bei den zugrundeliegenden Ursachen auf sowie in der Chronologie der Ereignisse, die diesen Zustand hervorbrachten sowie bei den Auswegen. In gewisser Weise ähneln die ungleichen Schilderungen und Halb-Wahrheiten der Parabel von den sechs blinden Männern, die einen Elefanten in ebenso vielen Arten portraitieren, wie sie es aus dem teilweisen Kontakt mit dem Körper erfahren.

Eine Warnung ist angebracht, bevor wir in die Haltbarkeit und Genauigkeit dieser verschiedenen Portraits eintauchen. Der oben genannte Titel des Artikels ist wirklich irreführend und gibt ein falsches Bild, auch wenn die Übertreibung als nützlich angesehen wurde für die Zwecke des Artikels.

Eritrea steht nicht wirklich in der Kälte hinsichtlich der diplomatischen Normen und Ausdrucksweise. Ja, es hat schlechte Beziehungen mit den USA. Doch selbst wenn man der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright zustimmt, dass die USA eine „unentbehrliche Nation“ sei, wäre es eine extreme diplomatische Selbstüberschätzung, ein Land als „draußen in der Kälte“ zu bezeichnen, wenn es zufällig den Zorn Washingtons erregt hat. Tatsache ist, dass Eritrea formelle diplomatische Beziehungen mit buchstäblich allen UN-Mitgliedsstaaten (Äthiopien und Djibouti ausgenommen ) hat, dass es über 30 Botschaften und Konsulate in der ganzen Welt hat und ebenso viele in seiner Hauptstadt beherbergt; und dass es Mitglied in wichtigen regionalen, kontinentalen und internationalen Körperschaften ist, um seine nationalen Sicherheitsinteressen zu fördern. Was Investitionen angeht, zieht das Land nach wie vor ausländische Investitionen im Bergbau und der Fischerei, dem Tourismus und anderen lukrativen Sektoren aus der ganzen Welt an. Eritrea hat auch robuste Programme an bilateralen und multilateralen ökonomischen Kooperationsabkommen mit der EU, den UN-Entwicklungsagenturen, China und verschiedenen Ländern im Nahen Osten sowie mit Japan, Indien usw. Also steht Eritrea auch bei wildester Phantasie nicht in der Kälte, trotz schlechter Beziehungen mit den USA, die zugegeben UN- Sanktionen mit sich brachten und Schikane vom Menschenrechtsrat in Genf.

Um auf einige der größeren Ungenauigkeiten und falschen Argumente zurückzukommen:

1. Botschafter Shin verbindet das Kardinalproblem des Respektes vor der Souveränität und territorialen Integrität Eritreas mit anderen zufälligen und unbedeutenden Sachen bei der Wiederherstellung der diplomatischen und wechselseitig vorteilhaften Beziehungen der Kooperation, die danach frei zwischen den beiden Ländern gepflegt werden können. In der Tat, so sehr freundliche Bindungen zwischen Eritrea und Äthiopien wünschenswert sind und von Vorteil für beide Länder und positive Auswirkungen für Frieden und Sicherheit für die ganze Region hätten, so sind doch die beiden Länder keine siamesischen Zwillinge, die an der Hüfte zusammengewachsen sind. Lebhaften Handel und politische Harmonisierung sind Dinge, die beide Länder verfolgen können, wenn sie gleichberechtigt strategische Regeln für Entwicklung und ökonomisches Wachstum enwickeln. Modalitäten und Mechanismen ihrer Umsetzung könnten und würden frei zwischen den beiden unabhängigen Staaten über gegenseitig vorteilhafte bilaterale und manchmal multilaterale Abkommen im Rahmen regionaler Körperschaften entwickelt werden, wie der IGAD, COMESA etc.

Aber sie können auch getrennte Wege gehen und keine oder nur minimale Handels- und Investitionskooperation eingehen, ohne den regionalen Frieden zu gefährden, wenn beide die üblichen Prinzipien und Praktiken internationalen Rechts einhalten. Aber grundlegende Prinzipien internationalen Rechts und der Koexistenz zweier benachbarter Staaten der Normalisierung ökonomischer Verbindungen unterordnen, wie Botschafter Shin es tut, heißt nicht nur, den Karren vor das Pferd spannen, sondern ist gesetzlich unbedeutend und mit gefährlichen Implikationen und neuen Fakten beladen für regionalen Frieden und Sicherheit. Die Bedingungen des Abkommens von Algier sind unzweideutig. Auf einer mehr abstrakten Ebene haben Ebbe und Flut des Handels und der Kooperation zwischen zwei benachbarten Staaten keinerlei irgendwie geartete Wechselwirkung auf ihre unabhängige Existenz.

Ein erfahrener und akademischer Diplomat von Shins Kaliber kann gewiss nicht diese rudimentären Konzepte übersehen. Aber Botschafter Shin ist immer ein eifriger Unterstützer von Äthiopien gewesen. Das mag seiner Objektivität geschadet haben, da seine Argumente, um ehrlich zu sein, nur Ausschmückungen der Darstellung sind, wie sie von aufeinanderfolgenden äthiopischen Regierungen, einschließlich der gegenwärtigen, vorgebracht wurden. Das angebliche „negative psychologische Element“ zwischen den eritreischen und Tigray- ethnischen Gruppen in Äthiopien, das Botschafter Shin anruft, ist in Wirklichkeit ein allgegenwärtiges soziales Phänomen, das allerorten vorkommt; selbst zwischen verschiedenen sprachlich/ethnischen Gruppen innerhalb der Grenzen einunddesselben Landes. Diese emotionalen Züge können nicht in das Kalkül der Pflege normgebender zwischen-staatlicher Verbindungen zwischen zwei benachbarten Staaten auf Basis internationalen Rechts einbezogen werden.

2. In beinahe allen Artikeln werden die US-Eritrea- Beziehungen in einer eher simplistischen, anekdotenhaften Weise dargestellt und meistens in Bezug auf ein oder zwei Zwischenfälle. Sowohl Botschafter Shin als auch Lyman bezweifeln Eritreas Willen und Bereitschaft für verbesserte Beziehungen mit Washington. Botschafter Lyman erzählt erneut seine persönliche Initiative von 2008, die  wegen Eritreas Widerspenstigkeit auf  höchster Ebene scheiterte. Beamte des Außenministeriums in Eritrea und in der US-Botschaft in Washington bestreiten diese Version der Geschichte. Auf jeden Fall gibt es reichlich veröffentlichte Literatur, die die Reibungen in den US-Eritrea-Beziehungen auf 1998 zurückführen, was mit dem Ausbruch der Grenz-Feindseligkeiten zwischen Eritrea und Äthiopien zusammenfällt (d. h. nicht provozierte Feindseligkeiten der USA gegen Eritrea). Hohe eritreische Beamte haben seit langem behauptet, dass die USA auf ihre alte Haltung zurückfiel, vielleicht aus diplomatischer Faulheit statt aus kühler geopolitischer Überlegung, und alle Eier in den äthiopischen Korb legten, sobald die beiden Länder in bewaffneten Konflikt gerieten.

Historisch haben die USA die Scheinansprüche  des imperialen Äthiopien auf Eritrea unterstützt, um die von der UNO 1950 erzwungene „Föderation“ zwischen den beiden Ländern zustandezubringen; sie schwiegen, als diese einseitig von Äthiopien beendet wurde, um Eritrea 1962 zu annektieren; und dann Waffen und militärisches Training zu liefern, um Eritreas Befreiungskampf zu unterdrücken. Die US-Feindschaft gegen Eritrea änderte sich auch nicht groß nach dem Sturz von Kaiser Haile Selassie durch eine Militärjunta und Äthiopiens neue Verbindung mit der Sowjetunion im Zusammenhang des Kalten Krieges. Und obwohl die US-Eritrea-Beziehungen von 1991 – 1998 ein gesundes Wachstum und nie dagewesene Wärme entwickelten, hat Washington einseitig die aufkeimende Beziehung „zurückgefahren“ und ist nach den traurigen Ereignissen von 1998 wieder in den „historischen Modus“ verfallen. Eritreische Beamte des Außenministeriums zitieren die parteiische Haltung der USA während Äthiopiens sukzessiven Offensiven zwischen 1998 und 2000 und auch deren unzählige diplomatischen Schritte, um die Umsetzung des „endgültigen und bindenden“ EEBC Award zu blockieren. Dies trotz der Tatsache, dass die USA der Haupt-Architekt und Vermittler des zugrundeliegenden Algier-Friedens-Abkommens war. Die US-Eritrea-Beziehungen haben also eine lange, wechselvolle Geschichte. Sie können nicht auf das neue Phänomen Al-Shebaab und Eritreas angebliche „Verbindungen mit dem Terrorismus“ reduziert werden.

Aber unabhängig von den Ungenauigkeiten und den hier zitierten Fehlern ist die Debatte selbst positiv und sollte willkommen geheißen werden. Wie ich eingangs schon erklärte, ist es nicht klar, ob dies eine Widerspiegelung oder ein Vorbote einer ernsten politischen Überprüfung im US-Außenministerium ist. Aber ein ausgewogenes und konstruktives US-Herangehen an seine Beziehungen zu Eritrea und dem Horn von Afrika als Ganzes könnte bedeutende Vorteile für alle Beteiligten bringen und für die Erringung eines dauerhaften Friedens und Stabilität in der Region.

Die Einsätze sind in der Tat hoch. Das Horn von Afrika liegt in der Nähe des Nahen Ostens; erstreckt sich längs des wichtigen internationalen Seewegs am Roten Meer; hat eine gesamte Bevölkerung von mehr als 150 Millionen Menschen und ist mit beträchtlichen natürlichen Ressourcen gesegnet. Frieden und Sicherheit zwischen und innerhalb aller Länder der Region sind lebenswichtig, wenn alle verhältnismäßigen Vorteile dieser Region zum Wohle seiner Völker realisiert werden sollen.

Zusammen mit anderen großen internationalen Akteuren könnten die USA sicherlich eine gute Kraft bei diesem Bemühen sein. Aber das wird zuerst die Anerkennung und Respekt für die politische Wahl und die Interessen der Länder der Region erfordern. Die dysfunktionale Auffassung der Unterordnung lokaler Interessen und Wünsche unter die vorrangigen US-geopolitischen Interessen hat sich als Rezept für ständige Unruhen am Horn von Afrika in den vergangenen 60 Jahren erwiesen. Die jüngste Geschichte und die Dynamik unserer Zeit verlangen, den Akzent darauf zu legen, die alte, obsolete Auffassung zu  korrigieren und auf die Vorteile, die bei einem frischen und mutigen Herangehen zu gewinnen sind.

Quelle - källa - source

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen