Robert J. Burrowes
13. Juli 2016
Aus dem Englischen: Einar Schlereth
Diese psychologische Funktionsstörung lähmt einen bedeutenden Teil der menschlichen Bevölkerung in der Weise, die eine Möglichkeit verhindert, lohnende Ergebnisse für sich selbst, andere Individuen, Gemeinden und die Welt als Ganzes zu erringen. In einer Zeit, wo die Auslöschung der Menschheit ein mögliches Ergebnis dieser Dysfunktion sein kann, ist dies besonders problematisch. Warum passiert dies also und wie manifestiert es sich?
Im Grunde, wenn eine Person Angst vor Situationen anderer oder einer bestimmten Art von Ereignissen hat, wird ihre Angst sie oft unbewusst täuschen zu glauben und zu handeln, als ob sie keine Verantwortung trügen, ein Problem in Angriff zu nehmen. Diese Angst tritt besonders dann auf, wenn eine betroffene Person oder Leute in beträchtlicher sozialer und/oder geographischer Entfernung leben oder wenn die Ereignisse an einem anderen Ort stattfinden. Es kann aber auch passieren mit jemand, der sozial oder geographisch in der Nähe ist oder bei einem Ereignis in der Nähe. Lasst mich dieses häufige Verhalten an einigen Beispielen erläutern, die ihr vielleicht auch schon erlebt habt.
Ich wurde erstmals im Ernst interessiert an diesem Phänomen, nachdem ich jemanden traf, der gerade aus Indien kam, und der die vielen Straßenbettler beschrieb, die 'von einem Minimum überlebten'. Beim Zuhören merkte ich direkt, dass ihm seine Erfahrung Angst machte, aber derart, dass er nicht helfen wollte. In Anbetracht, dass er recht reich war, wurde mir gleich klar, dass er versuchte, sich selbst seine unbewusste Schuld zu verbergen (wegen seines Reichtums und wie er erworben wurde), aber ich konnte auch ein Element von Ärger heraushören. Dieser Ärger sollte offenbar einen Weg schaffen, wie man die Bettler wahrnimmt, damit es keine offenbare Notwendigkeit gab, etwas zu tun. Weshalb also der unbewusste Ärger? Wahrscheinlich, weil er selbst als Kind keine Hilfe bekam, als er sie brauchte.
Ein verbreitete Version dieser Angst und der Illusion, die ihr entspringt, ist der Glaube, dass es das direkte Ergebnis von Entscheidungen anderer ist, die sie verantwortlich machen für die Umstände, in denen sie sich befinden. Dieser Glaube ist offenbar weit verbreitet unter jenen, die sich weigern, strukturelle Gewalt, wie die ausbeuterische Weise, in der die globale Ökonomie funktioniert, in Betracht zu ziehen. Wenn man das Opfer tadeln kann für seine Umstände, dann bin ich jedenfalls 'in keiner Weise verantwortlich'. Männer, die gern Frauen tadeln, die sexuell angegriffen wurden wegen ihrer „provokativen Kleidung“, zeigen auch diese Angst und das dazugehörende wahnhafte Verhalten.
Aber das vielleicht offensichtlichste Zeichen der Vermeidung von Verantwortung entsteht, wenn man, statt zu tun, was man kann, um jemandem in Not zu helfen, lamentiert, 'nicht in der Lage zu sein', etwas Wirkungsvolles zu tun. Und dadurch ermöglicht ihnen ihre Angst zu vertuschen, dass sie eigentlich etwas tun könnten, das hätte helfen können. Das passiert oft z. B. wenn jemand zu sehr Angst hat zu helfen, weil vielleicht die Zustimmung von jemand anderem (wie der Ehefrau) nötig wäre, was sie (unbewusst) ängstigt. Aber es kann auch andere Gründe geben, weshalb ihre Angst dies Verhalten hervorruft.
Eine andere häufige Weise, keine Verantwortung zu übernehmen (während man sich selbst vormacht, dass es nicht so ist), ist, jemandem Hilfe anzubieten, die er nicht braucht und dann, wenn sie abgewiesen werden, das als 'Bestätigung' dafür sehen, dass keine Hilfe benötigt wird.
Eine Variante dieses Verhaltens ist, etwas los zu werden, das man nicht möchte und sich vorzumachen, dass man echt 'hilft'. Diese Variante zur Beschwichtigung der Schuld wurde mir richtig bewusst, als ich in einem Flüchtlingslager im Sudan auf der Höhe des äthiopischen Krieges und der Hungersnot von 1985 arbeitete. Unternehmen aus der ganze Welt 'schenkten' unerwünschte Vorräte von unverkäuflichen Sachen (wahrscheinlich für einen Steuernachlass), um den Organisationen zu helfen, die versuchten, Wege zu finden, das Zeug zu benutzen. Und nicht immer erfolgreich. Ich werde nie vergessen, als ich das Wad Kowli Lager zum erste Mal sah mit den wundervoll nutzlosen leichten, farbigen Wander-Zelten statt großer, widerstandsfähiger Segeltuch-Zelte, die in schwierigen Fällen benutzt werden. Besser als nichts, könnte man sagen. Für eine Woche vielleicht, aber kaum bei 55 °C.
Eine andere beliebte Methode, Verantwortung zu vermeiden, ist, sich etwas über die genauen Umstände, in denen sich jemand befindet, vorzumachen. Zum Beispiel wenn deine Angst deine Aufmerksamkeit auf ein belangloses Detail lenkt, wie etwa die Annehmlichkeit eines Touristenortes in deiner Erinnerung, statt auf die Tatsache, dass jemand, der dort lebt, obdachlos ist. Da ist es leicht, sich zu täuschen, dass deren Leben in Ordnung sein muss, und man sich entsprechend der eigenen Illusion verhält statt gegenüber der Realität des Lebens einer anderen Person.
Ein Weg für manche Leute, Verantwortung zu meiden, ist, sich vorzumachen, dass eine Person, die Hilfe braucht 'nichts dazu beiträgt', und man sich selbst täuscht über die Bedeutung der eigenen Anstrengungen. Dies ist nur eine von vielen Illusionen, die reiche Leute oft haben, um ihren Reichtum zu rechtfertigen, während viele Leute schwer arbeiten und nur Pfennige (oder nichts) bekommen für ihre Zeit, ihre Können und ihre Arbeit.
Varianten anderer Illusionen sind: 'Ich kann nur geben, was ich habe' und 'Ich kann es mir nicht leisten', was die Angst offenlegt, die eine Person glauben machen soll, dass sie sehr wenig haben, obwohl sie (manchmal beträchtlich) reich sind. Diese Angst/Täuschung Kombination entsteht, weil im emotionalen Sinn die Person wahrscheinlich 'sehr wenig' hat. Wenn einer Person die emotionalen Bedürfnisse als Kind vorenthalten werden, wird sie häufig lernen, materiellen Besitz als einzigen Wertmaßstab in der Qualität seines Lebens aufzufassen. Und weil materieller Besitz niemals ein emotionales Bedürfnis ersetzen kann, kann keine Menge an materiellem Reichtum als 'ausreichend' angesehen werden. Für eine weitere Erläuterung dieses Punktes siehe 'Love denied – The Psychology of Materialism, Violence and War' (verweigerte Liebe).
Wenn jemand zu sehr Angst hat, eine Verantwortung für Hilfe zu akzeptieren, trotz des Elends einer Person, dann bittet er sogar um Bestätigung, indem er z. B. fragt: „Bist du in Ordnung?“ Aber die Frage ist sinnlos und in einer Art gefragt, dass die Person in ihrem Elend sogar weiß, dass Hilfe nicht zu erwarten ist. Sie liefert vielleicht sogar die Bestätigung, obwohl sie lügen muss.
Eine übliche Art, in der manche Leute, besonders Akademiker, Verantwortung ausweichen, ist, eine Erklärung und/oder Theorie über ein soziales Problem zu liefern, aber selbst nichts tun, um die Dinge selbst zu ändern.
Eine andere sehr verbreitete Art zur Verantwortung/ Vermeidung, besonders unter der, wie ich es nenne, 'der Liebe und Licht Brigade', d. i. die Aufmerksamkeit auf 'Positives' zu richten (die 'guten' Nachrichten) statt wahrheitsgemäß Information über den Zustand unserer Welt zu liefern und dann gute Antworten auf die Wahrheit zu fordern. Uns selbst betrügen, wie wir vermeiden können, uns mit der Realität zu befassen , da so Vieles, was geschieht, so extrem unschön und häßlich ist, ist eine ängstliche und schwache Art, die Welt 'anzugehen'. Aber sehr häufig.
Viele Leute vermeiden Verantwortung, indem sie einfach glauben und handeln, als ob jemand anderes, vielleicht gar 'die Regierung' doch 'eigentlich' verantwortlich ist.
Zweifellos ist die verbreitetste Art, Verantwortung zu meiden, jede Verantwortung für militärische Gewalt zu leugnen, während man Steuern zu ihrer Finanzierung zahlt, jede Verantwortung für schlechte Umwelt- und Klimaschäden, aber keine Anstrengung machen, Konsum zu mindern, Verantwortung leugnen für die Ausbeutung anderer Leute, aber billige Produkte kaufen, die von Ausgebeuteten (manchmal Sklaven) hergestellt werden, Verantwortung verneinen für die Ausbeutung von Tieren, aber Tierprodukte konsumieren und jeden Anteil an Gewaltverübung, besonders an Kindern leugnen, ohne die vielen Formen zu verstehen, die Gewalt annehmen kann. (Siehe: „Why Violence?“ und „Fearless Psychology and Fearful Psychology: Principles and Practice“)
Letztlich natürlich vermeiden wir Verantwortung, indem wir die Existenz von einem Problem leugnen.
Trotz allem oben Gebotenen, soll es nicht so interpretiert werden, dass es bedeute, Verantwortung für alles zu übernehmen, was in der Welt schief läuft. Es ist offenbar eine Menge falsch und die hingebungsvollste Person kann nicht alles angehen. Doch können wir eine wichtige Wahl treffen, indem wir eine Reihe von Problemen aufstellen, die uns interessieren, die wir dann im großen oder kleinen angehen, um einen Unterschied zu machen. Das ist entschieden besser, als ängstlich uns selbst zu betrügen und/ oder leere Gesten zu machen.
Außerdem sind starke Entscheidungen wichtig in unserer Welt. Wir stehen einer Menge Gewalt gegenüber, von der einige die baldige Auslöschung der Menschheit bedeuten. In diesem Zusammenhang ist es nicht klug, die Verantwortung, uns davon zu befreien, anderen zu überlassen, insbesondere nicht den irren Eliten, deren politische Agenten (viele glauben naiverweise, dass wir sie 'wählen') so offensichtlich versagen, sinnvoll irgendein größeres soziales, politisches, ökonomisches oder Umwelt-Problem in den Griff zu bekommen.
Wenn ihr interessiert sein, mehr Wissen über gewaltsames und dysfunktionales Verhalten zu bekommen und was man dagegen tun kann, könntet ihr das oben erwähnte „Why Violence?“ lesen und „Fearless Psychology und Fearful Psychology“.
Und wenn ihr geneigt seid, eure Bereitschaft zu erklären, etwas Verantwortung zu übernehmen und diese Verhaltens-Weisen anzugehen, könntet ihr die online-Forderung „The People's Charter to Create a Nonviolent World“ unterschreiben oder an dem „FlameTree Projekt to Save Life on Earth“ teilnehmen.
Robert j. Burrowes ist sein Leben lang damit beschäftigt, die menschliche Gewalt zu beenden. Er ist der Autor von „Why Violence?“. Er kann erreicht werden unter flametree@riseup.net
Quelle - källa - source
Ein sehr schöner Beitrag zur Selbsterkenntnis - vielen Dank! :) Ich versuche auch sehr viele meiner Verhaltensweisen zu reflektieren und stoße immer wieder auf die gleichen Hürden, die in ihrem Kern eigentlich auf Angst basieren, wenn man sie bis zur Wurzel zurück verfolgt. Ich habe in diesem Jahr jedoch schon einige Fortschritte gemacht. Ängste verschwinden, wenn man sich mit Ihnen auseinander setzt. Es ist ein wunderschönes Gefühl, wenn man sich ihnen stellt und endlich handlungsfähig wird. Ich bin freue mich auf jede weitere Erkenntnis und denke ich bin auf einem guten Weg. Einer meiner kleinen Pfeiler der Angstbewältigung ist das Lesen meines Horoskops auf www.schicksal.com. Es gibt mir Halt zu wissen, dass nicht alles zufällig passiert und wir Teil eines Ganzen sind. Ich hoffe jeder Mensch findet Dinge im Leben, die ihm Halt geben.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Gunda