Einar Schlereth
6. November 2013
Damit ist der Krieg im Osten allerdings noch nicht beendet, doch ist es ein – vielleicht entscheidender – Teilerfolg, da die M23 die stärkste der über 10 Rebellengruppen gewesen ist. Dieser Sieg könnte den anderen kleineren Gruppen einen Denkzettel geben und vielleicht zu einer Beendigung des 20-jährigen Konfliktes beitragen. Wie immer, wo ein Konflikt herrscht, geht es um bestimmte Reichtümer – Gas, Öl, Diamanten, Kupfer, Kobalt, was auch immer – und im Osten des Kongo gibt es all dies.
Deswegen sind in den „Konflikt“, wie dieser bestialische Krieg beschönigend genannt wird, der bereits mindestens 5 Millionen Opfer gefordert hat, enorm viele „Interessen“ tätig, die in erster Linie Krieg gegen das kongolesische Volk, aber auch untereinander und gegeneinander in wechselnden Allianzen führten.
Der Sieg wurde ermöglicht, nachdem Präsident Joseph Kabila nach der Einnahme von Goma, der Haupstadt im Osten mit einer Million Einwohnern, durch die M23 endlich seine Armee von der Spitze bis zur Basis reorganisiert und diszipliniert hatte, weshalb seither auch keine Verletzungen der Menschenrechte gemeldet wurden.
Im letzten entscheidenden Kampf waren auch die UN-Friedenstruppen mit Panzern und Helikoptern verwickelt. Bei dem 20 Monate andauernden Kämpfen gegen die M23 sind ca. 800 000 Menschen aus ihren Wohnsitzen vertrieben worden.
Ausgelöst wurde der Krieg letztlich durch den furchtbaren Bürgerkrieg in Ruanda zwischen Tutsis und Hutus. Ca. eine Million Hutus flohen in den Kongo, wo sie von Tutsis verfolgt wurden. Es gab aber keine regulären Armeen, sondern bewaffnete Trupps und Milizen, die sich an den Schätzen des Kongo bereicherten in enger Zusammenarbeit mit westlichen Unternehmen aus aller Herren Länder – auch deutsche natürlich. Ebenso waren Ruanda und Uganda beteiligt und unterstützten diese Gangsterhorden mit Waffen, was von ihnen immer geleugnet wurde, aber von der UNO regelmäßig bestätigt wurde.
Aber ich merke, dass es unmöglich ist, das Desaster im Kongo in ein paar Sätzen zusammenzufassen. Wer sich ein recht genaues Bild machen will, sollte den Essay von Keith Harmon Snow 'The War that did not make the Headlines: Over Five Million Dead in Congo? Behind the Numbers Redux: How Truth is Hidden, Even When it Seems to be Told' lesen. Snow legt die Machenschaften des International Rescue Committee (Internationales Rettungs-Komitee) auf, das unter dem Deckmantel der Objektivität mehr verdeckt als aufdeckt. Er zeigt die intime Verbandelung von Henry Kissinger, der eng mit der Freeport McMoRan (FXC) verbunden ist, die im Kupfer- und Kobald-Gürtel tätig ist. Und von mehr als einem Dutzend anderer Größen der US-Politik sowie vielen Großbanken. Und er beginnt 1994-95 und dem Sturz von Mobutu, an dem das Pentagon direkt beteiligt war. All das taucht in den Berichten des IRC nicht auf. Dieser Report ist eine einzige Horror-Lektüre. Er beschreibt mit anderen Worten den zweiten Holocaust nach dem ersten von 1909, als der belgische König Leopold im Interesse seiner Gummiplantagen 9 Millionen Kongolesen massakrierte und Millionen verstümmelte. Dies wurde lange verschwiegen, aber heute ist es bereits eine Fußnote in unseren Geschichtsbüchern.
Der jetzige Sieg über die M23 ist mit Sicherheit auch dadurch befördert worden, dass England und die USA eine politische Wendung vollzogen haben und nicht mehr Ruanda und Uganda unterstützten, sondern beide Länder aufforderten, die Hilfe für ihre jeweiligen Milizen einzustellen.
Was hat diese Wendung verursacht?
Anfang Februar gab die UNO bekannt, dass man 2500 Mann in den Osten Kongos schicken werde, um „den Frieden zu erzwingen“. Gleichzeitig gab man erstmals bekannt, dass auch Drohnen eingesetzt würden, 'nur zur Aufklärung'.
Ende Februar 2013 gab der Stellvertretende Außenminister für Afrikanische Angelegenheiten Johnnie Carson einen Abriss in 4 Punkten zur Politik der Obama-Verwaltung in der DRC:
- Der moralische Imperativ zu reagieren;
- Die Konsequenzen der kongolesischen Instabilität im Kongo
für die nationalen US-Interessen;
- Die steuerlichen und finanziellen Imperative fordern die
Aufmerksamkeit für die Situation;
- Die Behauptung, dass ein Versagen, Stabilität im Kongo zu
schaffen, keine Option für die Welt ist.
Anfang März hat Glen Ford das Ziel Washingtons in seinem Artikel 'Washington Aims to Turn Congo Military Mission into a U.S. Proxy Force' genannt: die Einsatztruppe der Afrikanischen Union wird genau wie in Somalia eine US-Stellvertreter-Armee sein, d. h. eine Söldnerarmee. So weit, so gut. Aber Glen Ford ist entgangen, dass Obama die alte Clinton-Politik als Fehlschlag bezeichnet hat und deshalb die alten Ganoven in Ruanda und Uganda fallengelassen hat, um selbst einzugreifen und Stabilität im Kongo herzustellen.
Ein deutliches Zeichen war dann Obamas Reise nach Afrika im Juli 2013, wo er zwar Tansania besuchte, aber die alten Kumpel in Ruanda und Uganda links liegen ließ.
In der DRC stiegen nach dieser Umlegung der US-Politik natürlich starke Zweifel, ob dieser Proxy-Krieg nicht eine Spaltung und Aufteilung des Landes bezweckt wie in Jugoslawien und Sudan. Daraufhin sah sich Obama mehrfach veranlasst, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass er die Integrität des Kongo respektieren wolle. Nun ja, wir wissen, was amerikanische und speziell Obama-Versprechen wert sind. Aber wenn Kabila eine ähnliche Rolle wie Mobutu spielen will, könnte es für die USA lohnender sein, tatsächlich die Integrität des Landes zu respektieren.
Wer lebt, wird sehen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen