Mittwoch, 16. September 2015

Die „GRÜNE“ Blut Revolution der Frauen in Munnar


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Binu Mathew
Herausgeber von Countercurrents.org
13. September 2015


Aus dem Englischen: Einar Schlereth
Die Frauen revoltieren
„Wir pflücken die Teeblätter, ihr unser Leben.“
Tausende Frauen versammelten sich vor dem Büro der Kannan Devan Hills Plantations Company (P) Limited (KDHP) in Munnar und riefen obigen Slogan in einem Dialekt, der eine Mischung aus Tamil und Malayalam ist, in leisem, langsamem Rhythmus. Eine Frau in der Versammlung von ca. 5000 Arbeiterinnen hält ein Schild hoch, auf dem steht „Grünes Blut Revolution – Streik des Volkes, für das Volk, durch das Volk“.

Munnar ist das Land des Tees, die Königin der Hügel von Kerala. Wellen auf Wellen von hügeligen Bergrücken bedeckt mit Teeplantagen sind eine Freude für Betrachter. Millionen Tourisen, sowohl heimische als ausländische, kommen hierher, um den Anblick zu genießen, das kühle Wetter und um „frische“ Luft zu atmen. Sehr wenige machen sich klar, dass hinter all dieser natürlichen Schönheit Tränen und Tyrannei stecken, Trauma und Hilflosigkeit der Arbeiter, die in diesen Gärten von früh bis spät schuften.

Die Frauen wollen ihren Kampf alleine führen.
Am 2. September 2015 verwandelten sich die Tränen in eine Flut von Zorn, was die Grundlage der politischen Struktur des Staates Kerala in Indien erschütterte. In Kerala, das sich brüstet, zum ersten Mal in der Welt eine kommunistische Partei durch Wahlen an die Macht gebracht zu haben, wo alles, von der Geburt bis zum Tod gewerkschaftlich organisiert ist, taucht eine Arbeiter-Bewegung auf, geführt von tausenden Frauen, die buchstäblich die Gewerkschaftsführer fortjagen und, wie sie es nennen, „Eine Grünes Blut Revolution“ machen. Was ist los? Wieso diese einzigartige politische Bewegung?

Vordergründig ist alles, was sie fordern, 500 Rs (8$) täglich und 20 % Jahresbonus, was, selbst wenn sie es bekommen, höchstens Rs 8000 (140$) ausmacht. Aber ihre Beschwerde geht weit darüber hinaus. Es ist die Geschichte vom „Grünen Blut“, das in den Flüsschen dieser grünen Plantagen rinnt.

Die KDHP-Hauptversammlung vom 26. August verkündete, dass der Bonus in diesem Jahr 10 % betragen werde. Seither schwelt der Ärger. Die Frauenarbeiterinnen, die große Mehrheit der mehr als 10 000 Arbeiter auf den Plantagen, begannen mit einer Flüsterkampagne über Handies. Am 5. September versammelten sich 50 von ihnen vor dem KDHP-Büro und begannen den Streik. Die Nachricht verbreitete sich schnell und schnell kamen viele Frauen. Bald waren es tausende. Männer wurden fern gehalten. Als wir am 12. September nach Munnar kamen, war es der 8. Streiktag. Ich konnte etwa 5000 Frauen ruhig vor dem Büro sitzen sehen. Gelegentlich wurden Slogans gerufen. Dann Stille. Hunderte Polizisten hatten die Versammlung umringt. Die Polizisten waren nicht da, wie gewöhnlich bei Streiks, um zu drohen und die Arbeiter zu vertreiben. Sie schienen schweigend den Streik zu unterstützen. Ein Polizei-Offizier trat vor und sagte, dass die Forderungen der Arbeiterinnen gerechtfertigt seien und weithin verbreitet werden sollten.

Es schien, als ob ganz Munnar den Streik unterstützt. Der Besitzer des Ladens, wo wir Tee tranken, war begeistert von dem Streik. Mahlzeiten und Tee werden den Frauen gebracht, indem man bei Ladenbesitzern und Taxifahrern sammelt. Am Tag unserer Ankunft lieferte ein Tempel-Komitee freie Mahlzeiten für die Streikenden. Ein Händler sagte: „Wenn sie 1000 Rs verdienen, geben sie es hier in unseren Läden aus, da ist es unsere Pflicht, sie in der Stunde der Not zu unterstützen.“

Warum gibt es so viel Untestützung für diese Frauen, die den Gewerkschaften trotzen, die angeblich ihre eignen Interessen schützen? Die Öffentlichkeit fühlt, dass ihre Klagen berechtigt sind und dass sie von den Gewerkschaften betrogen wurden.
Lohnauszug
Ein Blick auf ihren Lohnauszug erzählt etwas von ihrer Not. Ein Arbeiter-Grundlohn sind 82.63 Rs (1.5 $) täglich, mit anderen Zuschüssen sind es 250 Rs (4 $). D. h. wenn sie 10 Stunden am Tag arbeiten; wenn sie zu spät kommen, wird ihnen nicht erlaubt, an dem Tag zu arbeiten; wenn sie früher gehen wegen einer Krankheit oder dringender Angelegenhei, wird StundenweiseLohn abgezogen. Laut den Arbeitsgesetzen müssen sie nur 20 kg Tee täglich pflücken. Aber sie machen Überstunden, täglich, jeden Tag der Woche von 6 Uhr früh bis 6 Uhr abends. Wie hart auch immer sie arbeiten, kommen sie höchstens auf 300 – 350 Rs. Wenn sie 60kg statt 20 kg pflücken, erhalten sie Rs 36 mehr, pflücken sie 100 kg, bekommen sie Rs 80 (1.40$) mehr. Als Nahrungs-Beihilfe liefert das Unternehmen für 3 Monate 75 kg Reis an jede Familie. Dafür werden 750 Rs monatlich vom Gehalt abgezogen. Berechnet man den Preis, dann liegt er über dem Marktpreis und weit über dem Preis des öffentlichen Verteilungssystems der Regierung. Jährlich müssen 200 Rs und ein freiwilliger Tageslohn an die Gewerkschaft  für die Repräsentation der Arbeiter bezahlt werden.
Sklavenhütte à la Kolonialzeit
Die Häuser, in denen sie leben, sind Sklavenhütten im Kolonialstil. Sie bestehen aus einer Küche und einem Raum, der auch als Schlafzimmer dient. Eine Familie von 7 – 8 Leuten schläft in diesem einem Zimmer mit Eltern und Geschwistern. Die Dächer sind meistens mit Asbest gedeckt, ein Krebs erzeugendes Material. Internationale Arbeiter-Organisationen haben 1986 die „Asbest-Konvention“ angenommen, die von 35 Ländern unterzeichnet wurde. Der US-Senat hat das Verbot erst 2007 ausgesprochen – in der EU wurde Asbest 2005 verboten.
Eternit (Asbest)-Ziegel
Die Mehrzahl der Arbeiter wurden in der Kolonialzeit von den Briten als Sklaven aus Tamil Nadu in die Teeplantagen gebracht. Ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen haben sich nicht sehr verändert seither. Swami Vel, ein pensionierter Aufseher, sagt mit Schuld im Blick: „Jetzt wird ein Kankani Supervisor genannt. Aber die Arbeit, die wir machen, hat sich nicht geändert. Wir zwingen sie, schneller und schneller zu arbeiten. So etwas wie Pausen gibt es nicht, auch nicht, wenn sie Tee trinken; dann pflücken sie mit einer Hand. Frauen ist es nicht erlaubt, zum Urinieren Pausen einzulegen.“ Diese Sklavenarbeit fordert ihren Zoll an der Gesundheit vieler weiblicher Arbeiter. Das ständige Beugen über die Büsche schädigt ihren Uterus, der bei vielen Frauen entfernt wurde, wie uns viele Streikende erzählten. Obwohl KDHP in Munnar ein öffentliches Hospital unterhält, dürfen Arbeiter nur drei freie Tage zur Behandlung nutzen.
Duch Pestizid verbrannte Haut

Was die männlichen Arbeiter angeht, verursacht die ständig Benutzung von Pestiziden wie Roundup schwere Krankheiten. Die Weltgesundheitsorganisation hat Roundup als „wahrscheinlich krebserzeugend“ eingestuft. Das Forbes Magazin berichtete, dass: „diese Entscheidung im The Lancet Oncology erschien und von der Agency for Research on Cancer (IARC) der WHO veröffentlicht wurde. Die Analyse basiert auf bestehender Forschung über chemische Belastung von Mensch und Tier.“ Das Besprühen wird hauptsächlich von Männern gemacht. Ein Arbeiter, der nicht genannt werden wollte, sagte, dass ein Pestizid, das regelmäßig benutzt wird (er wusste nicht den Namen) mit Öl vermischt wird, damit es an den Teeblättern kleben bleibt. Er sagt, es sei so giftig, dass ihm schon nach 2 Stunden um 10 Uhr früh schwindlig wird. Er zeigte uns die verbrannte Haut auf seinem Gesicht, was durch die Dämpfe des Pestizids passiert. Sie werden intensiv benutzt, sagte er. Wenn es regnet, werden die Pestizide stromabwärts gespült und verseuchen das Trinkwasser in Städten wie Kochi (Cochin).

Zurück zu den Hauptforderungen der Streikenden – etwa die trickreiche Bonus-Frage. Technisch werden die Arbeiter als Besitzer der Plantage bezeichnet. Es war 2005, dass TATA Tea Ltd., die damaligen Besitzer von KDH, beschloss, „17 ihrer geleasten Tee-Plantagen in eine getrennte Firma namens Kannan Devan Hills Plantation zu überführen, die in den Besitz der Angestellten übergehen soll.“ (Business Standard v. 19. März 2005) Tata Tea Ltd., woraus später Tata Global Beverages Ltd. wurde; Tata behielt einen Anteil von 28.52 %. Weitere 8.95 % liegen in einem KDHP Wohlfahrtsfond. Die Arbeiter halten ca. 60 % dieses Unternehmens. V. Mariyappan, Präsident der CITU (Handelsgewerkschaft der Communist Party of India, Marxist (CPI(M), sagt, dass die wirklichen Entscheidungen von den TATA-Leuten getroffen werden. „Im Direktoren-Vorstand sitzen 2 Arbeiter, die nicht wissen, was vor sich geht. Sie kommen einfach, trinken Tee und gehen wieder.“

Kannan Devan Hills in Devikulam Taluk mit 136 600 acres (Ca. 34 000 ha) wurde am 11. Juli 1877 von der Poonjar königlichen Familie für eine jährliche Leasingrate von 3000 Rs und eine Sicherheitshinterlegung von 5000 Rs an John Daniel Munroeto gegeben. 1964 ging Tata Gruppe eine Zusammenarbeit mit Finlay ein, was zur Bildung der Tata-Finlay-Gruppe führte. Obwohl das Land und die Plantagen später von der Regierung Kerala übernommen wurden durch das KANNAN DEVAN HILLS (RESUMPTION OF LANDS) GESETZ 1971, ist die Regierung nur der Verpächter und die Leasingsumme ist immer noch dieselbe. Tata Tea Ltd. wurde 1983 gebildet. Nachdem KDHP gebildet wurde und die Eignerschaft an die Arbeiter 'übergeben' wurde, kontrolliert TATA jetzt mehr als 1 Million ha Land für so gut wie nichts! Es gibt Anschuldigungen, dass TATA tausende Hektar Land der Regierung und Waldland illegal an sich gerissen hat. V. S. Achuthananthan von der CPI (M) hat geschworen, dieses Land von TATA zurückzufordern. Aber er hat nicht einen Zentimeter bekommen.
Tata betrachte geleastes Land als Privatbesitz
Als wir Munnar betreten ist das erste Schild, das wir sehen, ein Schild von TATA: „Das Betreten wird strafrechtlich verfolgt“. Tata benimmt sich, als sei Munnar ihr Privatbesitz, obwohl sie das Land von der Regierung nur leasen, obendrein für eine lachhafte Summe. Es gab wunderbare Orte in Munnar, die wir zu besuchen pflegten, um uns zu erholen. Sie waren öffentlich. Jetzt sind diese Gebiete von Tata eingezäunt und Sicherheitsbeamte mit Knüppeln patrouilieren das Gebiet. Wie sie sagen, wird das Betreten bestraft oder man bekommt von den Tataleuten die Hucke voll, weil man ihren 'privaten' Besitz betritt. Folglich gehe ich nicht mehr nach Munnar, außer bei besonderen Gelegenheiten wie dieser.

Jetzt erhebt sich die Frage, wo sind die Gewerkschaften geblieben, die die Rechte der Arbeiter vor den Bossen der Unternehmen schützen sollen? Die Arbeiter sagen, dass die Gewerkschaften vom KDHP-Management „drei Koffer“ erhielten und sie betrogen haben. Sie veröffentlichten auch eine Liste von 150 Gewerkschaftlern, die vom KDHP-Management Häuser erhalten haben. Auf der Liste stehen Abgeordnete (MLA) S. Rajendran, ehemaliger MLA A. K. Mani und Sundara Manikyam, AITUC-Führer C. A. Kurian, G. Maniyandi von der INTUC. Wie zum Hohn sagte MLA S. Rajendran Berichten zufolge, dass Tamil-Terroristen hinter der Arbeiter-Agitation stecken. Am Freitag wurde er von den Streikenden davongejagt, als er sie treffen wollte. Er konnte sich retten, indem er in ein Polizei-Auto sprang. Um die Wut der Arbeiter zu beruhigen, trat Rajendran in den Hungerstreik und forderte das Management auf, die Frage sofort zu lösen. Es muss angemerkt werden, dass kein Führer von den beiden anderen anerkannten Gewerkschaften, der AITUC von der CPI, die führende Gewerkschaft oder der INTUC des Congress sich bei den streikenden Arbeitern blicken ließen.

Revaty, eine Arbeiterin von der Laxmy Estate zeigt stolz ihren Personalausweis und sagt: „Lasst die ganze Welt wissen, dass wir nicht Terroristen sind. Wirkämpfen nur für unsere Rechte.“

Hinsichtlich der CITU-Führer sagen die Arbeiter, dass ihre Führer keine Vorteile vom Management angenommen hätten, aber sie geben zu, dass die Führer der beiden andere Gewerkschaften Häuser abzeptiert haben. V. Mariyappan, Präsident der CITU sagte, dass die Gewerkschaften drei Gesprächsrunden mit dem Management geführt hätten. Aber das Management gab nicht nach. Er sagt, dass alle drei Gewerkschaften an das Höchste Gericht von Kerala herangetreten seien, um in dieser Frage zu intervenieren.

KDHP sagte in einer Pressemitteilung, dass jede weitere Veränderung der Gehälter und Bonusse nur von einem Treffen des Management-Vorstands beschlossen werden kann. „Das Unternehmen ist gesetzlich verpflichtet, 8.33 % des Gehalts als Bonus auszuschütten. Jedoch geben wir jetzt 10 %. Jede weitere Veränderung muss vom Vorstand entschieden werden.“

Swami Vel, ehemaliger Kankani (Supervisor) erinnert sich an die Erschießung zweier Plantagenarbeiter 1952. Der Streik ging um die Reisration, die den Arbeitern verweigert wurde. Er fürchtet, dass dieser Streik ähnlich gelöst werden könnte, wenn er nicht schnell beigelegt wird. Die Regierung, das KDHP-Management und die Gewerkschaften haben die Pflicht, die Krise zu lösen und sicherzustellen, dass den Arbeitern Gerechtigkeit zuteil wird. Wenn das nicht geschieht, fürchte ich, dass die 'Grünes Blut' Revolution Rot werden könnte. Wenn ihr morgen euren Frühstückstee trinkt, schaut genau hin, ob er grün, rot oder giftig aussieht.


Quelle - källa - source

2 Kommentare:

  1. Danke für`s Einstellen, Einar! Mir fehlen die Worte, man muss es einfach lesen. Immer wieder und in dieser Ausführlichkeit. Auch oder gerade weil wir meinen das alles doch längst zu wissen. Wissen und Fühlen sind zweierlei. Ich habe in jedes einzelne dieser Gesichter geschaut und kann es kaum glauben. Wie stolz und lebendig sie aussehen bei diesem "Leben"! Woher nehmen sie die Kraft sich auch noch hübsch anzuziehen? Man behandelt sie wie Tiere, aber sie lassen sich nicht dazu machen.
    Die stille Intelligenz ihrer Streikform beeindruckt mich zutiefst. Gebe Gott, Allah, der Große Geist oder der "Gott" in jedem von uns, dass sie Erfolg haben!

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  2. Du hast Recht. Auch ich bewunderte diesen Stolz. Und ich freue mich, dass du das auch bemerkt hast und so intensiv gelesen hast.

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